Die Götter - Das Schicksal von Ji: Die Götter 4 - Roman (German Edition)
ihren Atem und bewegten sich so lautlos wie möglich, um die Kreaturen, die jeden Moment aus dem Gang stürzen konnten, nicht auf sich aufmerksam zu machen. Irgendwann bot Josion Damián flüsternd an, ihm Souanne abzunehmen, aber der Ritter lehnte dankend ab, obwohl er vor Anstrengung schwer atmete. Aus männlichem Stolz? Kameradschaft unter Legionären? Angst, wertvolle Zeit zu verlieren? Aus welchem Grund auch immer– Hauptsache, sie kamen von dem Tunnel weg.
Guederic fiel die Flucht besonders schwer. Nicht im wörtlichen Sinne, denn Nol war federleicht, und Guederic strotzte nur so vor Kraft. Aber die Dunkelheit, die sich über das Tal senkte, und die Schreie aus der Höhle, die in seinen Ohren wie eine Kampfansage klangen, machten ihn rasend. Wenn die Erben nicht bald ihr Ziel erreichten, würde der junge Mann Nol absetzen, sich in den unterirdischen Gang stürzen und diesen jämmerlichen Kreaturen zeigen, wer in diesem Tal der wahre Herr war!
Plötzlich spürte er Nols Blick auf sich und senkte die Augen. Der Hüter sah ihn mit dem gleichen Argwohn und der gleichen Furcht an wie bei ihrer ersten Begegnung. Guederic konnte seine Wut kaum noch zügeln und bemühte sich, ein Lächeln aufzusetzen. Doch er brachte nur eine verkniffene Grimasse zustande, von der er hoffte, dass sie nicht allzu blutrünstig wirkte. Er musste sich unbedingt beherrschen. Vor allem, während Nol ihn beobachtete!
Sonst würde er noch denen recht geben, die ihn für den Bezwinger hielten…
Souanne wachte langsam aus ihren Träumen auf. Sehr langsam. In ihrem letzten Albtraum geriet sie auf der Flucht vor kreischenden Höhlenkreaturen in eine Welt aus Kälte und Schatten. Dann vermischten sich Traum und Wirklichkeit wie so oft kurz vor dem Aufwachen. Als sie die Augen aufschlug und sich in Damiáns Armen wiederfand, war sie überzeugt, noch immer zu träumen. Der Ritter befreite sie mit dem Mut und dem Pflichtbewusstsein, die ihm eigen waren, aus den Fängen der Ungeheuer und brachte sie an einen sicheren Ort, den er allein kannte.
Da es sich – wie ihr umnebelter Verstand sie glauben machte – um einen Traum handelte, gab sie einem Drang nach, den sie im Wachzustand mit allen Mitteln unterdrückt hätte: Sie schlang die Arme um den Hals ihres Retters und küsste ihn innig auf die Wange. Erst als sie Damiáns überraschten Gesichtsausdruck sah, spürte, wie ihm der Atem stockte, und seinen salzigen Schweiß auf der Zunge schmeckte, wurde ihr klar, dass sie nicht mehr träumte. Die Erkenntnis traf sie wie ein Keulenschlag.
Souanne wand sich so lange, bis Damián sie absetzte. Die beiden blickten einander verlegen an, aber dann wurde der Legionärin schwindlig, und Damián griff rasch nach ihrem Arm. Sie stützte sich auf ihn, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Souanne war zu abrupt aus ihren Träumen gerissen worden und musste sich erst einmal orientieren. Warum war es schon Abend? Was war mit ihr geschehen? Wo liefen sie hin– und warum?
Plötzlich fiel ihr wieder ein, was geschehen war, bevor sie die Besinnung verloren hatte. Der Abstieg in die Unterwelt, die Flucht durch die finsteren Gänge, die verdammten Kreaturen, die sie gejagt hatten, die hasserfüllten, zornigen und gequälten Schreie.
Guederics wahnsinniges Verhalten.
Der junge Mann hatte sie mit sich gezogen. Zunächst wollte er sie beschützen, aber irgendwann wollte er nur noch seine Überlegenheit beweisen. Allerdings nicht aus männlichem Stolz: Dies war kein Verführungsversuch gewesen, sondern eine Kriegserklärung!
Ungläubig und benommen musterte sie den Mann, der durch ihre Albträume gegeistert war. Guederic trug Nol den Seltsamen in den Armen, und die blutrünstige Fratze auf seinem Gesicht war verschwunden. Hatte sie sich die Szene im Tunnel vielleicht nur eingebildet? Spielte ihr die Erinnerung einen Streich?
» Kannst du laufen?«, drängte Damián. » Wir müssen weiter.«
Verwirrt sah Souanne zu ihm hoch und begriff, dass er sie schon mehrere Male angesprochen haben musste. Sie hielt immer noch seine Hand.
Widerwillig löste sie sich von ihm und nickte. Offenbar drohte ihnen Gefahr, sonst hätten sie es nicht so eilig. Also folgte sie ihren Gefährten, um sie nicht länger aufzuhalten, obwohl sie sich immer noch nicht ganz von der Müdigkeit erholt hatte, die ihren Geist und Körper befallen hatte.
Eine Weile lang glaubte Souanne, die Pforte in der Mitte des Tals sei ihr Ziel. Obwohl sich die Dunkelheit mittlerweile über die Landschaft
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