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Die Götter der Flusswelt - Flusswelt-Zyklus 5

Die Götter der Flusswelt - Flusswelt-Zyklus 5

Titel: Die Götter der Flusswelt - Flusswelt-Zyklus 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Jose Farmer
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daß jede dieser Minuten vollständig abgespielt werden konnte. Wenn Frigate wissen wollte, wie viele Ein zelstücke zur Verfügung standen und wie lang jedes war, konnte er die Zahlen vom Computer erhalten. Aber er wollte sie gar nicht wissen.
     »Sechzig Prozent des Films meines Lebens sind auf dem Fußboden des Schneideraums gelandet«, murmelte er. »Großer Gott! Wenn ich mich hinsetze und mir den gesamten Film von Anfang bis Ende ansehe, brauche ich dafür 15.330 Tage, beziehungsweise Vierundzwanzigstunden-Perioden. Zweiundvierzig Jahre nur dasitzen und zusehen.«
     Wie konnte das menschliche Gehirn, diese kleine graue Masse, so viele Erinnerungen enthalten, so viele Millionen, vielleicht Milliarden Film-Kilometer?
     Frigate fragte an, ob der Computer ihm den Behälter zeigen könne, der den »Film« enthielt. Der Computer gehorchte bereitwillig, und Frigate sah auf dem Schirm eine gelbe Kugel von der Größe einer Preiselbeere. Und sie war nur halbvoll.
     Was er am liebsten sehen wollte - und gleichzeitig auch nicht -, war eine sehr frühe Periode. Als er etwa ein Jahr alt gewesen war und in einem Haus in North Terre Haute in Indiana gelebt hatte. Seine Großmutter mütterlicherseits aus Kansas City in Missouri war zu Besuch, um seiner Mutter mit ihrem Kleinkind zu helfen. Frigate hatte die fixe Idee, daß seine Großmutter ihn mißhandelte, wenn sie den Babysitter für ihn spielte. Aber nicht, weil sie etwa grausam oder sadistisch veranlagt war, sondern schnell die Beherrschung verlor. Diese Spekulationen seinerseits beruhten auf den Visionen, die er während einiger Sitzungen bei einem Psychoanalytiker in Beverly Hills gehabt hatte. Während man dort versucht hatte, seine frühkindlichen Erinnerungen aufzuspüren, hatte er die Überzeugung gewonnen, daß er wegen dieser Behandlung durch seine Großmutter als Kind unterdrückt und unterwürfig und ängstlich geworden war. Oder daß sie zumindest das Fundament für diese Eigenschaften gelegt hatte, die in der Pubertät erst richtig aufgeblüht waren.
     Der Psychoanalytiker hatte dieser Theorie keinen rechten Glauben geschenkt, Frigate jedoch gestattet, den Versuch zu unternehmen. Wahrscheinlich hatte er über die Ursache des Versuches nachgedacht, die Schuld seiner Großmutter zuzuschieben.
     Zögernd fuhr Frigate den Film mit hoher Geschwindigkeit ab, bis er den genauen Zeitraum fand, in dem seine Großmutter auf ihn aufgepaßt hatte.
     Er brauchte eine Woche, bis er überzeugt war, daß er sich geirrt hatte. Nichts im Verhalten seiner Großmutter rechtfertigte auch nur entfernt seine Vorstellung. Denn es war eine Vorstellung. Seine Großmutter hatte ihn weder geschüttelt noch angeschrieen oder ihm den Hintern versohlt, damit er zu Weinen aufhörte. Sie hatte ihn auch sonst nicht irgendwie schlecht behandelt. Sie hatte sich wegen seines Weinens oft persönlich Vorwürfe gemacht, aber Frigate verstand nicht mehr als ein Viertel dessen, was sie sagte, weil sie mit sich selbst normalerweise Deutsch redete. Er hätte den Computer zwar bitten können, ihm ihre Worte zu übersetzen, aber er machte sich nicht die Mühe. In diesem Alter spielte es weniger eine Rolle, was man sagte, sondern wie man es sagte. Der Tonfall einer Beschwerde hätte ihm eh nicht viel bedeutet, da sie es ihm nie deutlich machte, wenn sie unzufrieden mit ihm war. Und sie sang ihm deutsche Schlaflieder vor, obwohl sie ihn sicher nicht oft behütete.
     »Na gut, zum Teufel!« sagte Frigate vor sich hin. »Schon wieder eine Theorie hinüber. Wahrscheinlich werde ich herausfinden, daß meine Charakterschwächen eher auf eine genetische Disposition statt auf meine Umgebung zurückzuführen sind.«
     Er erzählte Nur von der Suche. Der kleine Maure lachte. »Es kommt nicht auf die Vergangenheit an«, sagte er, »sondern auf die Gegenwart. Man kann die Vergangenheit nicht ändern, um gegenwärtige Schwächen und Mißerfolge zu beseitigen. Die Gegenwart kann man benutzen, um das zu ändern, was man war und noch ist.«
     »Ja, aber der Erinnerungsfilm ist ein hervorragendes psychoanalytisches Werkzeug«, sagte Frigate. »Zu schade, daß man solche Möglichkeiten nicht auf der Erde hatte. Patient und Arzt hätten sich mit jedem zweifelhaften Punkt befassen und alles aufklären können. Der Patient hätte sehen können, was wirklich war und die Wahrheit von der Phantasie trennen können - das Unwichtige vom wirklich Bedeutsamen.«
     »Vielleicht. Aber es ist nicht notwendig. Du weißt, was

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