Die Götter der Flusswelt - Flusswelt-Zyklus 5
die Auswirkungen der Syphilis waren genauso fatal, wenn auch heimtückischer.«
Obwohl ihre Schreibhand schmerzte und es Zeiten gab, da die Feder ihrem schwachen Griff entglitt, arbeitete sie ungestüm, und der Roman, der ihr einen respektablen Platz in der englischen Literatur sichern sollte, Orunoko, erschien kurz vor ihrem Tod. Am 16. April 1689 war ihr Kampf gegen die Vorurteile, den Neid, Klatsch und Haß der puritanischen und überkritischen Zeitgenossen vorbei.
Wilhelm von Oranien, der niederländische Prinz, der König von England geworden war, mochte Mrs. Behn nicht. Doch obwohl sie für eine verderbte und skandalumwitterte Frau gehalten wurde, gelang es ihr irgendwie, in Westminster Abbey begraben zu werden.
»Wie konnte das geschehen? Ich wurde unter den Größten der Großen beigesetzt? Ich?«
»Niemand in meiner Zeit kannte den Grund«, sagte Frigate.
»In meiner auch nicht«, sagte Burton. »Wir werden einen deiner Zeitgenossen wiederbeleben müssen, um uns da Klarheit zu schaffen.«
»Byron wurde ein Grab in Westminster Abbey verweigert«, sagte Frigate. »Man hielt ihn für zu blasphemisch und verderbt, um ihn in den Genuß dieser Ehre kommen zu lassen. Aber du hast es geschafft.«
»Und ich«, sagte Burton, »wurde ebenfalls zurückgewiesen. Ich hätte eher einen Platz dort verdient als die meisten, die dort ruhen, aber Nigger Dick wurde nicht in die heiligen Hallen eingelassen.«
Aphra hatte auf der Flußwelt viele schlechte und erschreckende Erfahrungen gemacht, aber das Leben war trotzdem fast immer lebenswert gewesen. Es machte keinen Spaß, tot zu sein. So war sie also hier im Turm und hatte sich gerade von einem weiteren Liebhaber getrennt. Vielleicht würde sie später einmal wieder mit De Marbot zusammenleben, obwohl es ihr im Augenblichk nicht sehr wahrscheinlich vorkam. Egal. Sie hatte nicht vor, lange allein zu sein.
17.
Während Peter Jairus Frigate darauf wartete, daß seine kleine Welt erbaut wurde, war er keineswegs untätig. Er kam zu dem Schluß, daß er den »Erinnerungsfilm« nicht gänzlich ausschalten wollte. Er war zu neugierig auf seine Vergangenheit; er hatte viele Fragen an sie, auf die er nie eine Antwort zu erhalten geglaubt hatte. Obwohl es ihn schmerzte, sie zu sehen, würde er sich zwingen, die Pein zu ertragen. Dann und wann. Also befreite er einen viereckigen Wandausschnitt seiner Wohnung von der Farbe und verbrachte jeden Tag eine Stunde in diesem Raum. Wenn er das Zimmer betrat, erwachte die Vergangenheit mit einem Satz zu neuem Leben, als sähe er sie durch seine Augen und höre sie mit seinen Ohren.
Er experimentierte ein wenig herum und stellte fest, daß der Computer nicht darauf beharrte, ihm alles laut Programm zu zeigen. Wenn er eine bestimmte Zeit verlangte, bekam er sie auch zu sehen.
Auch verfügte der Computer über eine Uhr, die mit der Zeit der Erinnerungen Frigates synchronisiert war. Wenn Frigate in der Vergangenheit das Datum gekannt hatte, weil er am betreffenden Tag auf den Kalender geschaut oder es jemand erwähnt hatte, konnte der Computer diesen Vorgang einspielen. Ansonsten mußte er die ungefähre Zeit schätzen und durchforstete seine »Filmspule« zuerst grob und dann genau.
Es gab, wie er schnell herausfand, viele Lücken in diesem »Film«. Frigate bat um ein zufälliges Datum, den 27. Oktober 1923. Er spielte einfach herum und versuchte, mehr zu erfahren; der Tag war jedoch leer, er erinnerte sich nicht an ihn.
Der Computer verriet ihm, warum.
Es befand sich nicht genug Platz in seinen Erinnerungszellen, um das gesamte Leben zu speichern. Ein Mechanismus im mnemonischen Komplex löschte aus, was für ihn unbedeutend war, und schuf so mehr Platz für bedeutende Ereignisse. Oftmals hielt jedoch sein Unterbewußtsein das, was sein Bewußtsein für unwichtig hielt, für bedeutsam und wert, gespeichert zu werden.
Das Wathan sollte eigentlich nach ihrer Vorstellung das gesamte Leben des betreffenden Individuums gespeichert haben. Nichts blieb unaufgezeichnet. Diese Theorie konnte jedoch nicht bestätigt werden, da bislang kein Wathan abgespielt werden konnte. Die leuchtende, vielfarbige Oberfläche entzog sich jeder Untersuchung. Wie die Sphinx war sie wunderschön und ehrfurchtgebietend, aber stumm.
Der Computer errechnete für ihn, daß er bislang 55.188.000 Minuten gelebt hatte. Davon standen im Moment 22.075.200 Minuten zur Verfügung. Dies war zwar die Gesamtsumme, aber es bedeutete nicht,
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