Die Götter - Die Macht der Dunkelheit - Grimbert, P: Götter - Die Macht der Dunkelheit - Les Gardiens de Ji, Tome 3: Le deuil écarlate
der Grauen Legionärin zu, wie um ihr Einverständnis einzuholen, und fügte dann hinzu: » Vielleicht kann sie uns ja wieder führen, wenn wir unserem Ziel nah genug sind. Meine Eltern und Großeltern würden jedenfalls keine Dezille zögern, die gesamte bekannte Welt abzusuchen, wenn ich verschwunden wäre. Und eure würden dasselbe für euch tun. Selbst wenn es unmöglich scheint, das Dara wiederzufinden, wir müssen es versuchen! Das ist unsere Aufgabe, so wie es die Aufgabe unserer Vorfahren war, das Geheimnis von Ji zu lüften. Wir müssen ihren Kampf weiterführen. Das sind wir ihnen schuldig!«
Erst jetzt merkte sie, wie sehr sie sich ereifert hatte. Schuld daran war sicher die Aufregung der letzten Dekanten. Als sie bei den Ratsfrauen von Kaul in die Lehre gegangen war, war Rhetorik eines ihrer Lieblingsfächer gewesen, und sie hatte gelernt, wie man Argumente vorträgt und seine Zuhörer überzeugt. Ihre Wangen röteten sich, aber offenbar wollte sich keiner der anderen über sie lustig machen. Najel griff sogar nach ihrer Hand, und sein Blick war voller Bewunderung.
» Schön«, sagte Damián und lachte leise. » Ich glaube, damit wäre alles gesagt.«
Seine Gefährten nickten zustimmend, und so war es beschlossene Sache. In diesem Moment dämmerte Lorilis, dass sie die Verantwortung für das Leben ihrer Gefährten übernommen hatte. Schutzsuchend schmiegte sie sich an Najels Schulter. An Schlaf war ohnehin nicht mehr zu denken. Hatte sie wirklich die richtige Entscheidung getroffen?
Nach einigem Grübeln kam sie endlich zu dem Schluss, dass sie richtig gehandelt hatte. Die Erben mussten das Dara finden. Dort hatte alles begonnen, vor fast hundertsiebzig Jahren, als Saat ein unschuldiges Kind in die Unterwelt gelockt hatte, ein Kind, dem er den Namen Sombre gab und das der grausamste Dämon aller Zeiten werden sollte. Und dort würde auch alles enden.
Befreit von der Last des Zweifels, würde sie endlich schlafen können. Ihr Kopf ruhte an der Schulter eines Jungen, den sie seit weniger als zwei Dekaden kannte. Während Lorilis in den Nachthimmel Arkariens blickte, wurde ihr klar, dass sie den letzten Rest ihrer kindlichen Naivität verloren hatte.
Das änderte jedoch nichts daran, dass sie ihre Eltern schmerzlich vermisste.
Maara freute sich darüber, dass ihr Bruder und Lorilis einander nähergekommen waren. Ohnehin ging das nur die beiden etwas an, und die wallattische Tradition war in dieser Hinsicht eindeutig: Niemand, weder Vater noch Mutter, kein Freund und schon gar kein Fremder durfte sich in das Liebesleben anderer einmischen. Selbst die Thronerben waren in der Wahl ihrer Geliebten recht frei – und damit auch in der Wahl ihres Gemahls oder ihrer Gemahlin, wenn die Zeit gekommen war. Trotzdem hatte jeder Außenstehende das Recht auf eine eigene Meinung. Maara jedenfalls war der Ansicht, dass die Liebschaft ihrem Bruder guttat. Außerdem hatte sie die kleine Kaulanerin ins Herz geschlossen.
Maaras Beziehung zu Guederic hingegen hatte sich in den letzten Tagen deutlich verschlechtert. Dabei war es ein netter Zeitvertreib gewesen, an Deck der Wasserratte ein paar belanglose Küsse zu tauschen. Die Kriegerin bezweifelte jedoch, dass daraus etwas Ernstes werden würde, und zwar aus gutem Grund: Seit sie durch die Pforte getreten waren, hatte Guederic nicht ein zärtliches Wort für sie übriggehabt. Weder hatte er ihr erklärt, warum er im Tiefen Turm plötzlich Hals über Kopf die Treppe hinabgerannt war, noch hatte er ihr erzählt, wie es ihm ergangen war, als die Geister ihn gefangen hielten.
Zwar hatte er sich auch keinem der anderen Gefährten anvertraut, aber Maara war so dumm gewesen zu glauben, dass sie für ihn etwas Besonderes war. Offenbar wagte es niemand, Guederic direkt auf das Geschehene anzusprechen. Maara beschloss, es den anderen gleichzutun und sich in Schweigen zu hüllen, zumal Guederic selbst nicht die geringsten Anstalten machte, sich ihr zu öffnen. Als die anderen einer nach dem anderen verstummten, beschloss Maara, schlafen zu gehen. Sie verkroch sich unter ihren Decken und hing so lange finsteren Gedanken nach, bis die Müdigkeit sie übermannte. Wie dumm sie doch gewesen war, auf einen solch gefühllosen Rüpel hereinzufallen!
Wenig später meinte sie jedoch, eben jenen Rüpel leise weinen zu hören. Es konnte niemand anders sein: Guederic hatte angeboten, die erste Wache zu übernehmen. Aber Maara tat so, als hörte sie ihn nicht, und irgendwann schlief sie
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