Die Götter - Ruf der Krieger - Grimbert, P: Götter - Ruf der Krieger - Les Gardiens de Ji, Tome 1: La volonté du démon
über Sombre Frieden in der Welt zu herrschen schien, waren meine Kräfte auch nicht weiter von Bedeutung. Niemals hätte ich geglaubt, dass ich einst noch ein drittes Mal zu einem gefährlichen Abenteuer würde aufbrechen müssen.
Corenn nahm das Verschwinden ihrer Fähigkeiten ähnlich gelassen hin. Sie gewann der Sache auch etwas Gutes ab: Nun konnte niemand mehr seinen magischen Willen für böse Zwecke einsetzen, denn auch Hexer wie Saat hatten ihre Kräfte verloren und waren so machtlos wie gewöhnliche Sterbliche. Natürlich
würden einige magisch Begabte versuchen, ihren Willen auf den Energiekern zu richten, den wir wahrgenommen hatten, aber es würde Jahrzehnte dauern, bis sich daraus eine neue Form der Magie entwickelt hätte – wenn das überhaupt möglich war. So war die Welt nicht nur von Göttern befreit, sondern auch von allen Menschen, die schwarze Magie betrieben, um die Macht eines Gottes oder Unsterblichkeit zu erlangen.
Neben dem magischen Willen hatte es vor dem Verschwinden des Jal noch eine weitere übersinnliche Fähigkeit gegeben: die Kraft der Erjaks. Erjaks waren Männer und Frauen, die zumeist einem der Klans aus dem Weißen Land entstammten und kraft ihrer Gedanken mit höheren Tieren sprechen konnten. Sie bewahrten ihre Fähigkeit auch nach dem Verschwinden des Jal, aber von Bowbaq und Niss weiß ich, dass sie sich seitdem doppelt so stark konzentrieren müssen. Im Laufe der Jahre stellte sich außerdem heraus, dass keines der Kinder, die nach dem Verschwinden des Jal geboren wurden, die Erjak-Gabe aufweist. So sind wohl auch die Erjaks dazu bestimmt, eines Tages auszusterben.
Die Götter Eurydis und Nol der Seltsame hatten verkündet, nach Sombres Sturz werde eine neue Zeit anbrechen: das Zeitalter von Ys, auch das Zeitalter der Harmonie genannt. Sämtliche Schriften, die von diesem Zeitalter künden, sprechen von einer verheißungsvollen Ära, in der die Menschen glücklich und in Frieden zusammenleben, einer Ära, in der es kein Leid, keine Habgier und keine Grausamkeit mehr gibt, jene Geißeln der Menschheit, die den Abgründen unserer sterblichen Seelen entstammen.
Bisher ist davon allerdings nicht viel zu merken.
Vielleicht dauert es einfach noch ein paar Jahrhunderte, bis der schöne Traum in Erfüllung geht, denn die Menschen haben
sich nicht verändert: Sie sind immer noch jederzeit bereit, ihrem Nachbarn aus Selbstsucht Leid zuzufügen. Überall auf der bekannten Welt lügen, stehlen, und streiten die Menschen wie eh und je; sie verstümmeln, vergewaltigen und töten einander, als trügen sie nach dem Verschwinden der Götter nicht selbst Verantwortung für ihr Leben.
Manchmal glaube ich sogar, es geschehen mehr Gräueltaten als je zuvor. Ahnen die Menschen vielleicht, dass die Götter sie ihrem Schicksal überlassen haben? Denken sie vielleicht, keine Strafe mehr fürchten zu müssen? Ziehen sie deshalb beim nichtigsten Streit oder beim ersten unfreundlichen Wort das Schwert?
Ich und meine Gefährten haben keiner Menschenseele vom Verschwinden des Jal erzählt. Schließlich wussten die Menschen auch zuvor nicht, dass dieser Ort existierte. Wenn wir verkündet hätten, er habe sich in nichts aufgelöst, hätte man uns bestenfalls für Verrückte gehalten, schlimmstenfalls wäre die Welt im Chaos versunken.
Die Menschheit weiß also nichts von ihrer Lage, auch wenn manche etwas zu ahnen scheinen. Vor allem in den letzten Jahren breitet sich eine seltsame Unruhe aus, wie bei Schafen, die instinktiv spüren, dass sich ein Rudel Wölfe nähert. Das sichtbarste Zeichen dieser Unruhe ist die Tatsache, dass immer mehr religiöse Geheimbünde gegründet werden.
Für uns, die Erben von Ji, ist das ein böses Omen.
Der Abend war ein voller Erfolg. Auch wenn Serguel die nächste Daseinsstufe noch nicht erreicht hatte, platzte er fast vor Stolz. Die fünf Mitglieder seines Zirkels, einschließlich des Meisters, hatten ihn in den höchsten Tönen
gelobt, weil er den Hund als Opfergabe mitgebracht hatte. Bevor sie mit der eigentlichen Zeremonie begannen, entzündeten sie ein paar Kerzen und Lampen mit ätherischen Ölen, verbrannten Weihrauch und rezitierten Verse aus einem Buch, dessen Einband aus Menschenhaut gefertigt war.
Den Hund banden sie mit einem Strick so straff an einen Deckenbalken, dass seine Pfoten gerade noch den Boden berührten. Sie nahmen ihm die Fesseln ab, außer der um das Maul, damit er sie nicht durch Kläffen verriet. Dann ließ der Meister flüssiges
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