Die Göttin im Stein
versprochen hatte, mit allem einverstanden zu sein, sich in alles zu fügen.
In jener Nacht ...
In jener Nacht, in der er sie mit Gewalt aus der Erstarrung befreit hatte, in die sie verfallen war, in der er mit harten Schlägen die Wand eingerissen hatte, hinter der sie sich eingemauert hatte zu ihrer eigenen Verzweiflung, in der er ihr mit den Schmerzen das Gefühl wiedergegeben hatte und das Wissen, ich bin wieder da, bei ihm –
Und die gelöste Weichheit danach, als sei sie zerschmolzen.
Damals war ein Damm in ihr gebrochen, der letzte. Aber was dahinter lag, diese irrsinnige Lust, die sie selbst nicht begriff, das war etwas für die Nacht, fürs Dunkel, und da sollEre es bleiben, am Licht wollte sie, daß er sie achtete, ehrte, liebte – und nicht behandelte wie einen Hund, den es abzurichten galt.
Doch genau das tat er seither.
Moria ließ den Deckel mit lautem Knall zuschlagen.
Sahir, die eben mit dem Stroh hereinkam, zuckte zusammen, sah ihre Herrin erschreckt an.
Moria erhob sich und warf das Laken heftig auf das Bett. »Mach du das fertig, Sahir!« Sie drehte sich um, setzte sich auf die Bank und griff nach Spindel und Rocken.
Ungeduldig zupfte sie an der Wolle, zwirbelte den Anfang eines Fadens, wickelte ihn auf den Holzstab, ließ die Spindel schwirren.
Wenn ich nur mit jemandem darüber reden könnte.
Aber da ist niemand. Auch nicht Cythia.
Die schon gar nicht.
Was regst du dich über eine Zweitfrau auf, es gibt Schlimmeres! hatte Cythia gesagt. Sorg dafür, daß du die Haushaltsführung in der Hand behältst, daß du die einzige bleibst, die für die Gastmähler zuständig ist, und du behältst deinen Ruf und deinen Einfluß! Ihr gib die Tuch- und Kleiderherstellung ab, du sagst doch, der Mantel ist einwandfrei gewebt, wenn sie das so gut kann, fühlt sie sich damit zufrieden und nicht zurückgesetzt, und ihr kommt euch nicht ins Gehege. Weben und Nähen waren noch nie deine starken Seiten, du sagst ja selbst, daß du es nicht gern tust, sei froh, wenn du das los bist! Und wenn dein Kind erst mal da ist, wirst sogar du dankbar dafür sein, wenn dein heißgeliebter Lykos dich nachts in Ruhe läßt! Rücksichtnahme darauf, daß du als junge Mutter erschöpft und elend bist – das kannst du von einem Mann nur erwarten, wenn er eine andere hat, bei der er sich holen kann, was er will!
Cythia. Bei der war alles so nüchtern und klar.
Unmöglich, mit Cythia über so verworrene, geheime Gefühle zu sprechen.
Cythia fände nichts dabei, das Bett zu richten, in dem er die andere zu seiner Frau macht ...
Der Faden riß.
Moria stockte, knotete ihn wieder zusammen.
Lykos wird es noch bereuen, die Königstochter geheiratet zu haben.
Wenn die Königstochter unfruchtbar ist. Und ihr Versagen auch Unfruchtbarkeit über das Vieh bringt.
Unwillkürlich banden ihre Finger noch einen Knoten. Wenn sie ängstlich ist, wenn sie kal und steif in seinen Armen liegt wie ein gefrorener Fisch, unfähig, seine Leidenschaft
zu entfachen, unfähig, ihn so in Hitze zu bringen wie ich. Knoten.
Wenn sie blaß und krank vor Heimweh wird, wenn sie sich nach ihrer Mutter und ihren Schwestern die Augen ausweint, wenn sie keinen Blick und kein Lächeln für ihn hat.
Knoten.
Wenn sie, während ich im Kindsbett liege, den Haushalt führt und der Braten zäh wird, das Bier sauer und das Brot schimmelig. Und wenn dann Gäste kommen und sie ihnen nur Pökelfleisch und fade Grütze anbietet und mit ihrer schlechten Wirtschaft Schande über sein Haupt bringt.
Knoten.
»Soll ich ein Kissen mit Wollgras füllen, Herrin?« Ein Kissen.
Moria achtete nicht auf Sahir, sah nur die Knoten im Faden.
Benommen öffnete sie die Augen.
Lykos stand neben dem Bett. Hell loderte das Feuer.
»Was ist?« murmelte sie schlaftrunken und schreckte plötzlich auf. War sie eingeschlafen? Und hatte doch die ganze Nacht wachen wollen!
»Ich habe Holz nachgelegt. Es war zu kalt!« Lykos legte sich wieder neben sie, zog an der Decke, rollte sich zur Seite, fuhr mit der Hand unter das Kissen und stopfte es unter seinen Kopf.
Die Schnur kam zum Vorschein, die Schnur mit dem Knoten.
Sie sah es, kalt vor Entsetzen.
Seine Hand stieß an die Schnur, unwillkürlich schlossen sich seine Finger darum. Jetzt geschieht es.
Jetzt kommt heraus, was ich getan habe.
Jetzt bin ich verloren.
Verstoßen, verjagt, von niemandem aufgenommen. Mutter!
Göttin der Morgenröte, Tochter der Himmlischen, hilf mir, ich schwöre, ich tu' es nie wieder, nie wieder
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