Die Göttin im Stein
wachsen ihr zehn neue.
Besser dient es unserer Herrschaft, weiche Regeln werden erfüllt, als harte werden übertreten.
Besser dient es Eurer Ehre, Ihr Himmlischen, Ihr nehmt die Schwarze Göttin in einigen ihrer widerwärtigen Erscheinungsformen hin und weist ihr einen Phatz zu, der weit unter dem Euren steht, als Ihr werdet von der Feuersbrunst hinweggefegt, welche diese Schlange noch immer zu entfachen in der Lage ist.
Nehmen wir den Frauen das Geheimnis, das Verbot und die Verfolgung ihres Glaubens, so nehmen wir ihnen den größten Teil ihrer Gefährlichkeit.
Schicken wir Licht in das Dunkel, um ihre Dürftigkeit zu erhellen! Verhindern wir, daß die Frauen des Alten Volkes an den Herrenhöfen – und mehr und mehr auch unsere eigenen Frauen – zu Heldinnen werden um ihres Glaubens willen, Märtyrerinnen, aus deren Blut tausendfach neue entstehen!
Ihr schweigt.
Einst war ich derjenige, der dafür sorgte, daß die ersten Bauernsöhne zu Wolfskriegern ausgebildet wurden. Heute sind viele der besten Wolfskrieger als Bauern geboren und doch meine treuen Gefolgsleute und Kampfgefährten. Geplant war es als Mittel zur Unterwerfung, und es hat sich mehr als bewährt. Aber war es nicht zugleich der erste Schritt zur Überbrückung der Kluft zwischen den Bauern und uns?
Von uns unbemerkt hat sich eine zweite Brücke gebildet, und wir Herren selbst sind schuld daran. Haben wir wirklich geglaubt, es könnte ohne Folgen bleiben, wenn wir Bauernmädchen zu unseren Nebenfrauen machen, die unsere Kinder großziehen und Seite an Seite mit unseren eigenen Frauen leben? Haben wir geglaubt, unsere Frauen würden nicht sehen, daß wir diese Mädchen zum Gehorchen erst zwingen müssen, das ihnen nicht in die Wiege gelegt ist wie den Töchtern der Söhne des Himmels – und unsere Frauen würden daraus nicht erkennen, daß es immerhin denkbar und sogar möglich ist, gegen unseren Willen zu verstoßen? Und würden sich nicht mit den unterworfenen Weibern verbünden, weil sie niedergehalten werden von dem gleichen strengen Herrn?
Zu teuer haben wir die Herrschaft über das Alte Volk bezahlt.
Das Band zwischen unseren Frauen und den Bauernweibern, wir werden nicht fähig sein, es zu zertrennen. Im Gegenteil, es wird sich immer fester knüpfen. Wir müssen dafür Sorge tragen, daß nicht eine Schlinge daraus wird, die sich um unseren eigenen Hals legt. Sondern eine Fessel um ihre Hände.
Es wird Zeit, den zweiten Schritt zu wagen. Das Joch zu erleichtern, damit sie sich williger darunter beugen und unsere Herrschaft damit um so unauflöslicher wird. Sollen sie ruhig Gemeinschaft miteinander haben, die Bäuerinnen, die Nebenfrauen und die Herrinnen, sollen sie mit unserer Zustimmung in dieser Gemeinschaft pflegen, was ihnen die Kraft und Geduld gibt, unsere Gewalt zu ertragen! So werden sie die Hand lieben, die sie züchtigt. So werden wir ihre Herren bleiben, weit sicherer, als wenn sie meinen, ihren Glauben gegen uns verteidigen zu müssen – und daraus den Mut ziehen, sich uns heimlich zu widersetzen.
Ich seh's ja an meiner Moria. Wie sie keine Gelegenheit mehr ausläßt, mir ihre Dankbarkeit, ihre Liebe und ihren Gehorsam zu beweisen. Wie freudig sie mir jeden Wunsch von den Augen abliest, ehe ich ihn selbst auch nur kenne. Jetzt verbirgt sie nichts mehr vor mir, tut nichts mehr hinter meinem Rücken. Jetzt bin ich wahrhaft, was ich immer hätte sein sollen: ihr Herr.
Die ganze Macht der Strafe kenn' ich schon lange. Die ganze Macht der Gnade erkenn' ich erst jetzt.
Mein Vater hat mich gewarnt vor den Weibern, hat mir geraten, ihren Widerstand zu brechen. Er war ein kluger Mann, klüger, als mir damals bewußt war.
Weise war er nicht. Er kannte nur Härte, sonst nichts. Und gegen den Haß, den er damit schürte, hatte er wiederum nur ein einziges Mittel: noch größere Härte.
Er hat nicht gesehen, daß Härte nur dort alles bewirkt, wo die Aufsicht lückenlos ist – und wo ist sie das schon, wenn nicht einmal unter den Augen des Königs.
Gnade aber wirkt auch dort, wo das Auge nicht hinreicht. Nicht die Gnade, die aus der Schwäche kommt, aus der Unentschlossenheit, wie sie mir in meinen Anfängen fast das Genick gebrochen hätte. Nein, die Gnade des wahrhaft Mächtigen. Das unerhoffte Geschenk jenseits der sicheren Erwartung furchtbarer Strafe.
Ist nicht das der wahre Gipfel der Macht?
Nun denn. Ich tu's.
Ich erlaube öffentlich den Kult der Schwarzen Göttin. Ich lasse Moria, Langonia und meine Nebenfrauen vor
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