Die Göttin im Stein

Titel: Die Göttin im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Beyerlein

Vom Netzwerk:

Rat entgangen sein, weil ich ihr nicht zu sprechen gestattete?
    Diesmal ließ ich sie sprechen. Diesmal hörte ich ihr zu, weil ich mir seit langem Gedanken darüber gemacht hatte, wie ich der gefährlichen Unterströmungen Herr werden könnte, die in diesem Land umgehen. Viel zu groß ist es für lückenlose Herrschaft. Viel zu groß ist es, um von so wenigen Herren und Kriegern nur durch Furcht zusammengehalten zu werden, wenn erst die Unterdrückten wieder die Kraft und den Mut fänden, sich zu einen und zu erheben. Und den Fehler wie als junger Mann mache ich nicht mehr, die Gefahr zu unterschätzen, von den unterworfenen Frauen ausgeht, noch immer, trotz allem.
    Nur den Fehler, eine eigene Frau zu unterschätzen, den habe ich gemacht, wie es schlimmer nicht sein könnte, das bekenne ich offen.
    Als ich vorzeitig von Krugors Fest aufgebrochen und die Nacht hindurchgeritten war, weil ich mir vor Gliederreißen nicht mehr zu helfen wußte und mich nach Morias MoorMoorpackungen Morias Händen sehnte, als ich am frühen Morgen nach Hause kam und alle schlafend fand, Knechte wie Frauen –
    Nein, ich hatte keinen Verdacht. Ich war nur verärgert. Und aus reinem Ärger sagte ich zu Moria, die aus dem Bette sprang: So treibt ihr es also, sobald ich den Rücken kehre!
    Da wurde sie leichenblaß, und in ihren Augen las ich blanke Angst, eh sie sie niederschlug.
    Himmel, ich meinte ein Hausherr zu sein, der die Seinen in Zucht und Gehorsam hält, wie es sich gehört. Und es ist mir so Ungeheuerliches entgangen, was in meinem Haus und an meinem Hof geschah.
    Bin ich ein ungetreuer Gefolgsmann? Habe ich meinen Schwur schlecht gehalten?
    Ihr schweigt.
    Was blieb mir an jenem Morgen zu tun, da ich nicht wußte, worauf ich gestoßen war? Sollte ich in meiner eigenen Familie wüten wie ein wild gewordener Stier, Geständnisse erzwingen, die doch nur die halbe Wahrheit ans Licht bringen würden, aufgedeckte Vergehen in dem Wissen bestrafen, daß hinter meinem Rücken Bündnisse des Schweigens geschlossen würden und es unter meinen Füßen brodelte?
    Als junger Mann hätte ich dies zweifellos getan. Die Furcht, meinem Schwur untreu zu werden, hätte mich dazu getrieben.
    Mit dem Alter kommt die Weisheit. Oder ist es Müdigkeit?
    Ich jedenfalls sagte mir: Strafe, wo du es kannst. Doch wo du es nicht kannst, da laß es als Gnade erscheinen.
    Moria hat an jenem Tag den Kopf nicht mehr gehoben. Spätestens am Mittag war mir klar, daß alle Frauen und auch die beiden größeren Töchter in einen Betrug verwickelt und von Moria gewarnt worden waren, denn alle waren gelähmt vor Angst. Selbst meine brave Langonia begann zu zittern und die Farbe zu wechseln, wenn ich sie nur ansah. Nie hätte ich für möglich gehalten, daß sie in Ungehorsam gegen mich verstrickt sein könnte. So kann man sich in den Weibern täuschen.
    Noch immer wußte ich nicht, welcher Sache ich auf die Spur gekommen war. Ich aber stellte mich wissend. Bedachte sie alle mit drohenden Blicken. Und schwieg.
    Ein paar Tage ließ ich sie in ihrer Furcht vor dem, was ich tun würde. Zweifellos war es eine heilsame Lehre für sie alle. Wie sehr sie diese verdient hatten, wußte ich freilich noch nicht.
    Doch ewig konnte ich dies nicht fortführen. So faßte ich am dritten Tag meine Moria beim Kinn und zwang sie, mich anzusehen. Ihre Augen flackerten. Da sagte ich ganz ruhig, ganz freundlich: Wenn ich euch strafen wollte, meinst du nicht, ich hätte es längst getan?
    Sie brach in Tränen aus. Und in diesem Tränenstrom der Erleichterung erfuhr ich alles, was ich sonst nie erfahren hätte, an meiner Brust schluchzend und immer wieder meine Hände küssend, gestand sie mir, wovon sie glaubte, ich wüßte es längst. Sie nahm alles auf sich, auf sich ganz allein. Es mag sogar stimmen.
    Dieses verfluchte Weib.
    Wie sie meine beiden Nebenfrauen aus dem Alten Volk bestärkt habe, in aller Heimlichkeit an der Verehrung der Schwarzen Göttin festzuhalten, und sie gebeten habe, sie selbst mehr und mehr in deren Kult einzuführen, wie sie Langonia dafür gewonnen und die Mädchen darin erzogen habe, wie sie, wenn ich fern vom Hof war, im Wald getanzt und andere Riten geübt hätten –
    Sogar mit den Bäuerinnen gemeinsam hat sie getanzt, und das ist das Allerschlimmste daran –
    Sie hat meinen Hof zu einer Brutstätte der Verehrung der Schwarzen Göttin gemacht – den Königshof! Und mir ist es entgangen.
    Ich verdiene es nicht, mich einen Herrn zu nennen, geschweige denn einen