Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Göttin im Stein

Titel: Die Göttin im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Beyerlein
Vom Netzwerk:
König.
    Eurem Zorn, Ihr Götter, stelle ich mich anheim.
    Schleudert Euren Blitz auf mich, göttlicher Vater, vernichtet mich mit Eurem Donnergrollen! Ich war Euch ein schlechter Gefolgsmann, ein schlechter Stellvertreter.
    Ich habe mein Leben verfehlt. Es gibt kein schlimmeres Urteil.
    Ihr schweigt. Still glüht das Feuer.
    Moria weinte mir die Brust naß, während sie mir alles gestand. In meinem Inneren tobte es, noch nie erforderte es von mir solche Kraft, meinen Zorn zu beherrschen. Ich hatte nicht übel Lust, ihr die Seele aus dem Leib zu prügeln, aber ich hielt sie gütig fest – was blieb mir übrig, nachdem ich ihr meine Gnade verkündet hatte.
    Ich war ein blinder Eheherr. Ein wortbrüchiger bin ich nicht.
    Schweigend hörte ich mir also alles an, was Moria sich von der Seele sprach. Wie sie schon als Kind der Schwarzen Göttin begegnet sei und wie diese sie später aus ihren qualvollen Kindsnöten errettet habe, wie sie nicht anders könne, als ihr ewig ihren Dank abzustatten, und wie die Tänze ihr ein neues Leben eröffnet hätten, ihr Kraft gäben für jeden Tag. Schließlich kam ich sogar so weit, trotz aller Wut etwas wie Achtung dafür zu empfinden, welche Gefahr und welche Schuld sie auf sich genommen und welche Wege sie gefunden hat, um ihrem schwarzen Glauben zu leben.
    Daß eine Frau so viel Mut hat –
    Meine Moria.
    Was für ein Weib.
    Inzwischen sehe ich weiter als zu Moria und meinen anderen Frauen, sehe Naki, die mir einst im Schnee den Gehorsam verweigert hat, sehe Kugeni, die Nebenfrau meines Vaters, die für ihre Treue zur Schwarzen Göttin den Tod erlitt, sehe hundert- und tausendfach die Bauernmädchen, die nach dem Krieg gewaltsam zu Nebenfrauen von uns Herren gemacht wurden, um unseren Nachwuchs zu mehren, sehe, wie sie heimlich weiter ihrem Glauben anhängen, ihre Töchter darin erziehen und ihre Herrinnen damit anstecken, sehe, wie überall an den Herrenhöfen diese Schlangenbrut um sich greift, wie manche der Übeltäterinnen von mißtrauischeren und strengeren Hausherren als mir entdeckt und zur Rechenschaft gezogen werden und wie aus ihrem Blut, aus ihren Schmerzens- und Todesschreien – die nur einer gelten, der Schwarzen Göttin – neue Jüngerinnen erwachsen.
    Ich weiß, ich bin einer Seuche auf die Spur gekommen, die nicht mehr einzudämmen ist. Eine Seuche, die ich beizeiten hätte erkennen und in den Anfängen hätte ersticken müssen, denn ich war der König. Doch ich habe versagt.
    Wir haben unsere Herrschaft bis an die Grenzen des Meeres ausgedehnt–und haben sie in unseren eigenen Familien verloren. Wie Unkraut hat sich ein Übel eingenistet, das wir nur dann mit Stumpf und Stiel ausrotten könnten, wenn wir alle unsere Frauen töteten. Dann freilich rotteten wir uns selber aus, und auch Euer Ruhm bräche zusammen. Ihr Himmlischen.
    Habt Ihr es von Anbeginn an gewußt? Habt Ihr mich nur deshalb so lange blind sein lassen, um mir um so gründlicher die Augen zu öffnen?
    Das Feuer ist herabgebrannt. Still glüht die Holzkohle. Ich sprenge Met auf die heißen Steine. Ich streue Kräuter in die Glut.
    Ich weiß nur einen Weg. Wählt ihn oder vernichtet mich.
    Meine Moria. Seit sie meiner Gnade gewiß ist, liegt sie mir wieder in den Ohren, flehender als zuvor. Sie glaubt nicht mehr mich für ihre Zwecke lenken zu können. Sie bettelt. Auf den Knien liegt sie vor mir.
    Ich möge doch der vielen Frauen und Mädchen eingedenk sein, die, vom Alten Volk stammend, unter die unmittelbare Gewalt strenger Herren gegeben seien und nicht ohne ihre alten Bräuche leben könnten. Ich möge doch der Herrinnen eingedenk sein, die wie sie selbst gegen ihren Willen von der Liebe zu der Schwarzen Göttin erfaßt worden seien und nicht mehr von einem Glauben lassen könnten, der den Himmlischen keinen Abbruch tue, auch wenn er von den Priestern verboten sei. Ich möge doch der unzähligen Frauen eingedenk sein, die nicht das unendliche Glück hätten, einen gütigen und verständnisvollen Herrn wie mich zu haben, der dulde, was sie nicht lassen könnten.
    Gütigen und verständnisvollen Herrn! Moria, Moria! Reicht es nicht, gefürchtet zu werden?
    Ich entdecke das Bedürfnis, geliebt zu werden.
    Ich werde alt.
    O ja, ich bin der vielen Frauen und Mädchen eingedenk, anders, als Moria es meint. Wir werden nicht fähig sein, sie alle zu zwingen, daß sie lassen, was sie nicht lassen können oder wollen.
    Diese eklige Schlange hat tausend Köpfe und für jeden, den wir ihr abschlagen,

Weitere Kostenlose Bücher