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Die Göttin im Stein

Titel: Die Göttin im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Beyerlein
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den ich auf glühende Steine sprenge, und die duftenden Kräuter, Ihr Himmlischen? Seht Ihr die Speisen aus dem Fleisch des geweihten Stieres?
    Die besten Kissen bereite ich Euch. Lagert Euch zu mir ans Feuer, beehrt mich mit Eurer Gegenwart.
    Ich bin sehr allein.
    Euren Ruhm zu mehren und Eure Macht war stets mein Bestreben, wie ich es geschworen. Als ich jung war, kämpfte ich für Euch mit Streitaxt, Pfeil und Bogen und Speer. Nun werde ich alt, und Euer Lob schallt bis an die Grenzen des Meeres, und geopfert wird Euch in Gegenden, wo in meiner Jugend Euer Name noch nie erklungen war.
    Mein Werk scheint vollbracht.
    Könige legen den schwarzen Mantel nicht ab, um den weißen zu nehmen. Könige sterben.
    Das Schattenreich der Toten ...
    Ein Land ohne Wiederkehr.
    Was bleibt?
    Söhne, nun ja. In ihnen, so lehren die Priester, lebe die Kraft eines Mannes weiter. So hebt meine Kraft dreizehnfach.
    Sechs Söhne von meinen Gattinnen, sieben von meinen Nebenfrauen. Selbst wenn einige dieser Söhne noch ihren früh verstorbenen Brüdern folgen, ehe sie Nachkommen zeugen, so weiß ich doch: Mein Samen wird leben unter den Söhnen des Himmels. Herrliche Krieger werden meine Nachkommen sein, wie ich einer war, als ich mir den Namen erworben habe – Lykos der Bärentöter.
    Ich bin kein herrlicher Krieger mehr. Die Knochen verlieren ihre Gelenkigkeit, der Rücken und die Glieder schmerzen, die Narben aus meinem Kampf mit dem Bernsteinbären bringen mich bei schlechtem Wetter fast um den Verstand, und manchmal weiß ich nicht mehr, wie ich auf mein Pferd hinaufkommen soll oder wieder herunter. Nein, ich bin kein König mehr, der mit seiner Kraft und seinem Segen Heil bringt über das ganze Land.
    Es wird Zeit, daß ich gehe und Plitovit Platz mache. Solang ich noch gehn kann – aufrecht und stolz in den Tod. Eh' sie mich töten.
    Was bleibt?
    Lieder, nun ja. Wie lange werden sie es noch singen, das Lied von meinem Sieg über den Bernsteinbären – wenn ich nicht mehr bin? Wenn es andere Krieger nach mir gibt, deren Taten meinen heldenhaften Kampf in den Schatten stellen? Flüchtiger Ruhm. Und ich wollte doch Unsterblichkeit.
    Was bleibt?
    Dieses Weib. Täglich liegt sie mir in den Ohren.
    Soll ich dem Flehen einer Frau nachgeben, die mich beispiellos hintergangen hat, deren Widersetzlichkeit zum Himmel schreit, die mich vor den Bäuerinnen im ganzen Umkreis zum Gespött gemacht hat, die mich bloßgestellt hat in einer Weise, die ihresgleichen nicht hat?!
    Was für eine Schande.
    Ein König, der nicht einmal bei seinen eigenen Frauen für Gehorsam sorgen kann –
    Ein König, dem, sobald er den Rücken kehrt, die Weiber davonschleichen –
    Ein König, dessen Hof so schlecht bewacht ist, daß eine Handvoll Frauen über seine Palisaden klettern kann –
    Wenn ich denke, wie entblößt von jedem Schutz mein Hof lag, während ich fern war! Durch Schlaftrunk betäubte Wächter! Und die Bauern wußten davon.
    Allein dafür verdiente sie mehr als den Tod, verdiente jede nur erdenkliche Strafe.
    Die Bauern haben ihr Wissen nicht genutzt. Was muß es sie gekostet haben, sich nicht an mir zu rächen, mich nicht auszuplündern und meinen Hof nicht zu vernichten. Oder wenigstens über meine Schande zu sprechen, sie bis an die Ohren der Priesterschaft und des Königsrates dringen zu lassen und mich damit so der Lächerlichkeit preiszugeben, daß ich nicht einen Tag länger hätte König bleiben können.
    Sie haben es nicht getan. Und Morias Geheimnis gewahrt. Aus Liebe zu Moria. Aus einer Dankbarkeit ihr gegenüber, die ich nie erkannt habe.
    Daß Liebe so viel Macht hat ...
    Dieses verfluchte Weib.
    Verzeiht, himmlische Gäste, ich verliere den Faden der Rede. Ich sprenge Euch Met auf die heißen Steine und streue Euch wohlriechende Kräuter ins Feuer. Habt Geduld.
    Noch ehe ich sie entdeckte, begann Moria von sich aus mir in den Ohren zu liegen.
    Ich solle den Kult der Schwarzen Göttin auch an den Höfen der Herren zulassen, bat sie.
    Wendet Ihr Euch nun mit Grausen, meine himmlischen Gäste?
    Ruhig flackert das Feuer, nicht ausgelöscht von Eurem Zorn.
    Dieses Weib. Jetzt weiß ich: Sie wollte mich dazu bringen, ihren sehnlichsten Wunsch zu erfüllen. Sie wollte mich dazu bringen, daß ich nun erlaubte, womit sie mich seit vielen Jahren betrogen hatte – ohne daß ich je davon erfuhr. Diese Berechnung. Und doch war alles wahr, was sie sagte.
    Wär' sie ein Mann. Was für einen Berater hätte ich in ihr gehabt. Wie oft mag mir guter

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