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Die Göttin im Stein

Titel: Die Göttin im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Beyerlein
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Worte nur zerstören kann.
    Ria barg den Stein in ihren gefalteten Händen und sann vor sich hin. »Ich hab' es schon lang, dies Gefühl. Schon als Kind. Solange ich denken kann. Als würde Naki alles sehen, was ich tue. Und als würde sie auf etwas warten. Freundlich. GeduGeduldig. mit einem Vertrauen, das schwer zu ertragen ist. Denn der Gedanke, ich könnte es enttäuschen –«
    Ria brach ab, hob den Kopf, sah Moria in die Augen: »Du hast mir immer erzählt, daß Naki mir das Leben gerettet hat. Und daß sie mit ihrem Sohn für mich gestorben ist. Weißt du, was du mir damit angetan hast?«
    Moria sog erschreckt die Luft ein.
    »Weißt du, Mutter, wie es ist, wenn man sich Tag für Tag fragt, womit man rechtfertigen kann, daß ein anderer für einen gestorben ist? Oder gar zwei? Wenn man sich jede Nacht den Kopf zermartert, welche Leistung man erbringen kann, die diese Schuld sühnt?«
    Moria starrte die Tochter an. In ihrer Brust ein Schmerz, als würde ihr ein Dolch im Leib gedreht. Kaum brachte sie die Worte hervor: »Ria, es tut mir so leid–ich wußte nicht–wenn ich geahnt hätte –«
    Ria nickte. »Ich weiß, daß du das nicht wolltest. Es ist gut, daß du es nicht vorhergesehen hast, denn sonst hättest du es nie getan. Es mußte sein, Mutter. Die Göttin wollte es so.«
    »Ria, ich versteh' nicht –«
    »Wie solltest du! Ich habe ja selber mein ganzes Leben dafür gebraucht!
    Als Kind habe ich davon geträumt, große Dinge zu tun wie ein Mann. Und immer hatte es mit den Bauern zu tun. Da Naki eine von denen gewesen war, habe ich die Bauern beobachtet. Und ich bin erschrocken. Diese Ungerechtigkeit, dieses Elend. Später erst habe ich begriffen, was noch schlimmer ist: die ständige Gefahr durch die Wolfskrieger, der vor allem die jungen Mädchen ausgesetzt sind.«
    Moria nickte. Ihrer beider Blicke trafen sich.
    Ria versuchte ein halbes Lachen. »Weißt du, was ich mir damals zurechtgeträumt habe? Als Mann wollte ich mich verkleiden, Viehherden wollte ich im Süden rauben und an die Bauern verschenken!«
    Moria lächelte, doch zugleich war ihr zum Weinen.
    »Ich habe immer gewußt, daß ich etwas für das Alte Volk tun muß, für Nakis Volk«, fuhr Ria fort. »Aber wie denn! Da ich doch nur ein Mädchen war! Was habe ich meine Brüder beneidet darum, daß sie Jungen waren! Obwohl ich genau sah, daß ich es viel besser hatte als sie, weil Vater entsetzlich streng zu ihnen war. Aber jedem von ihnen konnte sich die Möglichkeit bieten, einmal König zu werden – und was hätte
    ich nicht alles für Nakis Volk getan, wenn ich König geworden wäre! Meine Hände aber würden für immer gefesselt sein. Ich wurde ja nur eine Frau.«
    Moria beugte sich vor und berührte die Hände der Tochter, die noch immer den Stein umfaßt hielten. »Ach, mein Kind«, sagte sie leise, voll Trauer.
    »Dann kam der Tag, an dem Vater mir erklärte, daß er mich mit Plitovit verlobt hatte. Und daß er damit rechne, daß Plitovit nach ihm König werde. Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Das, was ich nicht tun konnte, mußte ein anderer an meiner Stelle tun. Und meine Aufgabe würde es sein, ihn dazu zu bringen.«
    »Plitovit«, sagte Moria.
    »Ja, Plitovit. Hast du gemerkt, Mutter, daß ich damals angefangen habe dich zu beobachten? In dem Jahr zwischen meiner Verlobung und meiner Verheiratung habe ich nichts so angestrengt betrieben, wie dich zu beobachten. Oh, ich kenn' dich genau!« Ria lachte.
    Moria spürte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. »Wie meinst du das ...«, murmelte sie schwach.
    »Ich hab' dich durchschaut!« sagte Ria und lachte wieder. »Zum Glück hat Vater sich nie die Mühe gemacht, dich so zu studieren wie ich! Sonst hättest du schwerlich derart viel vor ihm geheimhalten können. Ihn in der Gewißheit wiegen, daß du in allem die gehorsam ergebene Ehefrau bist, wie es sich gehört. Und so geschickt ihn in deine Richtung lenken, ohne daß er es jemals merkte!
    Als ich verlobt war, wollte ich lernen, wie du das machst. Denn daß du das kannst, das wußte ich schon als Kind. Seit der Sache mit den Haselnüssen, erinnerst du dich?«
    Sie füllte Met in den Lederschlauch und trug ihn in den Hof. Lykos' Hengst und die Pferde der Gäste standen schon bereit. Lykos trat eben mit Krugor, Hairox und Eraiox aus dem Haus. Ins Gespräch vertieft, blieben sie stehen. Moria wußte, daß Lykos um die Stimmen der Herren warb, vor allem um die von Eraiox. All ihr hausfrauliches Können hatte sie

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