Die Göttin im Stein
dabei schuldig fühlte und ihn fürchtete, steigerte nur ihre Leidenschaft. Für eine ungemessene Zeit vergaß sie sogar, zu welchem Zweck sie ihn verführt hatte, war einfach glücklich.
Danach versuchte sie ihn mit Zärtlichkeiten zu fesseln, mit Leckerbissen zu verwöhnen, bot ihm immer wieder den Met an. Erst ließ er es sich bereitwillig gefallen, dann sagte er seufzend: »Später, Moria, liebend gern. Aber so leid es mir tut, dich jetzt allein zu lassen – ich muß mir Ria vornehmen.«
»Ja«, sagte sie. »Das mußt du. Da ja Eraiox es verlangt hat und du es ihm versprochen hast.«
Er runzelte die Stirn. »Was soll das! Eraiox hat mir nicht zu befehlen, wie ich meine Tochter zu erziehen habe!«
»Natürlich nicht. Entschuldige.« Sie bedeckte seine Schulter mit kleinen Küssen. »Ich dachte nur, weil du doch Ria noch nie geschlagen hast– und weil Eraiox dich so – und er ist doch einer der ganz großen Herren – ach, verzeih, ich weiß nicht, was ich da rede!«
Er setzte sich auf. »Du meinst also, ich muß meine kleine Tochter verprügeln, weil Eraiox es will?«
»Nein, nein«, sagte sie rasch und mit geringer Überzeugungskraft.
»Das wäre ja noch schöner!« erregte sich Lykos. »Dieser Eraiox ist sowieso ein widerlicher Kerl, nur leider brauche ich ihn, um König zu werden! Aber in meine Familie hat der mir nicht dreinzureden!«
»Nein, das hat er nicht«, bestätigte sie.
Lykos schwieg. »Hat die Kleine es sich zu Herzen genommen?« fragte er dann.
»O ja, das hat sie.« Endlich konnte sie wieder die unverfälschte Wahrheit reden. »Sie hat den ganzen Tag geweint und Nüsse geknackt wie wild und sich vor lauter Verzweiflung und Ungeschick die kleinen Finger blutig geschlagen, und bestimmt hockt sie jetzt noch immer vor dem Stein und arbeitet und arbeitet und fürchtet sich davor, daß du zu ihr kommst und sie nicht fertig ist, und mit jeder Nuß bereut sie mehr, was sie getan hat . . .«
»Na«, sagte Lykos, »dann lass' ich ihr die Gelegenheit, diese Reue noch die halbe Nacht zu empfinden – so lang sie eben braucht für den Korb!«
Sie barg ihr Gesicht in seinen Händen, diesen Händen, die ihr immer gaben, was sie brauchte, diesen Händen, die Ria nicht schlagen würden. Sie war ihm so dankbar, liebte ihn so, daß sie hätte niederknien mögen vor ihm.
In der Nacht gingen sie gemeinsam in den Speicher und sahen nach dem Kind. Es lag, zugedeckt mit Langonias Mantel, auf dem aufgeschütteten Flachsstroh neben dem Korb mit den fertigen Nüssen und schlief. Seine Wangen zeigten noch die Spuren der Tränen, aber ein gelöstes Lächeln lag auf seinen entspannten Zügen. Lykos nahm das Kind auf die Arme, brachte es ins Haus und legte es ins Bett neben die kleinen Buben. Und es wachte nicht einmal auf.
»Damals hast du mir die Zeit verschafft, mit den schrecklichen Nüssen fertig zu werden, ehe Vater nach mir sah. Du kamst mir sehr mächtig vor«, sagte Ria.
»Das weißt du?«
»Ja. Ich habe Vaters Pferd gehört und durch die Ritzen des Speichers gespäht, ich war gelähmt vor Angst, habe erwartet, daß er gleich zu mir kommt, der Korb war doch noch nicht leer, aber dann hat er dich umarmt und ins Haus getragen –Ich habe das seinerzeit nicht so begriffen, aber heute würde ich sagen, du hast ihn nach allen Regeln der Kunst verführt, nicht wahr?«
Sie sahen sich an und lachten beide.
Knarrend öffnete sich die Tür. »Wie schön, daß ihr so fröhfröhlichd!« sagte Plitovit und trat in den Raum.
Moria und Ria erhoben sich beide und grüßten. Ria hatte Schwierigkeiten, in die Höhe zu kommen, Moria wollte ihr die Hand reichen, doch Plitovit kam ihr zuvor. Höflich nickte er Moria zu: »Sei mir gegrüßt, Schwiegermutter. Gut, daß du Zeit findest, nach Ria zu sehen. Aus eurem Lachen darf ich schließen, daß alles in Ordnung ist mit –« Er sprach nicht weiter, streifte Rias Bauch mit einem beinahe verlegenen Blick.
Er ist besorgt um sie, dachte Moria. Was für ein Glück.
»Das ist es«, erwiderte Ria lächelnd und schmiegte sich an ihn.
Er legte den Arm um ihre Schulter. »Ich reite jetzt zum Treffen im heiligen Eichenhain. Ria, es bietet sich an, nach der Feier den einen oder anderen Herrn zu Gast zu laden. Es ist dir doch möglich?« Wieder blieb sein Blick auf ihrem Bauch haften.
Ria schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. »Aber ja! Wie lieb von dir, daß du so rücksichtsvoll bist! Und daß du mir deine Gäste ankündigst! So bleibt mir Zeit, etwas ganz Besonderes morgen
Weitere Kostenlose Bücher