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Die Göttin im Stein

Titel: Die Göttin im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Beyerlein
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schrie jede Faser ihres Körpers nach Wasser. Alle Feuer ihres Lebens wüteten in ihr, vereinten sich zu einer alles verzehrenden Glut.
    Wasser – Wasser –
    Wenn Taku das Grab öffnete, würde er ihr etwas zu trinken bringen ...
    Mußte nicht längst Abend sein?
    Einmal noch nahm sie ihre Kräfte zusammen, bäumte sich auf in verzweifelter Willensanstrengung. Sie durchforschte die Finsternis, drehte sich nach allen Seiten, suchte mit brennenden Blicken nach dem schmalen Lichtstreifen und dem hellen, tröstenden Dreieck, fand es nicht.
    Ihr Verstand weigerte sich zu begreifen, was das bedeutete: Es war Nacht.
    »Taku«, flüsterte sie tonlos, ihre Stimme nur noch ein trockenes Kratzen, »am vierten Tag bei Sonnenuntergang, warum bist du nicht gekommen, du bringst mich um, warum, Taku, warum ...«
    Zirrkans Schwester – der Zug der gefesselten Frauen –Naki –
    Die Erkenntnis kam über sie und tötete
sie.
    Sie schwebte. Schwerelos ruhte sie dicht unter den mächtigen Decksteinen des Grabgewölbes.
    Kein Durst mehr und kein Hunger, kein Brennen und keine
    Qual. Alles, was blieb, war gelöste Leichtigkeit.
    Ihr Blick durchdrang den Stein. Hell sah sie das Morgenlicht im Freien. Im Dunkel des Grabes, zwischen Knochen und Scherben, sah sie sich selbst.
    Leblos lag sie dort unten, merkwürdig verkrümmt und eingefallen, spitz stachen die Knochen aus der fahlen, vertrockneten Haut.
    Was mache ich dort, warum liege ich am Boden, fragte sie sich mit lächelnder Verwunderung.
    Da hörte sie ein schreckliches Knirschen. Schmerzhaft durchdrang es sie, wurde lauter und lauter. Die Steine traten auseinander, öffneten einen schmalen, schwarzen Spalt.
    Sie wurde von einer ungeheuren Kraft erfaßt, auf diesen Spalt zugesaugt, sie wollte sich wehren – Laßt mich, ich will nicht, ich muß bei meinem Körper bleiben! –, umsonst, näherte sich unerbittlich diesem Spalt, wurde hineingezogen, hineingepreßt, ein schmaler, finsterer Höhlengang, kaum paßte sie hindurch, wußte plötzlich: Dies war der Weg, den sie gekommen war, nun ging sie ihn zurück, kein Sträuben half, zurück, zurück –
    Und Freiheit – Weite – Licht.
    Das Licht, heller noch als die Sonne, umfing sie mit glänzendem Schein, umschmiegte sie wie weiches, warmes Wasser und blendete nicht.
    Sie sah nichts als dieses Licht, und doch wußte sie mit unerschütterlicher Gewißheit: Sie war in dem Licht, Sie war es selbst, die Eine, die Drei war in Eins und Eins in Drei.
    Gestalten kamen aus dem Licht auf sie zu, sie hatten keinen menschlichen Körper, und doch erkannte sie sie sofort: ihre Mutter, Tante Kjolje, ihr Großer Oheim. Strahlend kamen sie ihr entgegen.
    Freude und Ruhe umströmten sie. Sie bewegten ihre Lippen nicht, und doch sprachen sie zu ihr: Komm mit uns, Haibe, fürchte dich nicht, wir führen dich, wir geleiten dich, dein Schmerz hat ein Ende, es ist gut, alles gut . . .
    Unwiderstehlich war der Wunsch, bei ihnen zu bleiben, tiefer in das Licht hineinzugehen.
    Sie folgte ihnen.
    Neue Gestalten tauchten auf, unsicherer als die anderen, Suchende beinahe noch wie sie selbst, und doch auch sie voll heiterem Frieden: ihre beiden Vettern, ihre Söhne Wirrkon, Karu und der kleine Rablu, ihre Brüder Li und Aktoll, und dort Taku und die anderen Männer der Koa.
    Sie eilte ihnen entgegen, glücklich, sie alle zu sehen, heil bei sich zu wissen.
    Aber da war etwas, das sie zurückhielt.
    Sie formte den Gedanken, sie mußte ihn nicht aussprechen, sie wußte, daß die anderen ihn hörten: Was ist mit Naki?
    Mitleid legte sich wie ein Schleier über die Gesichter: Naki ist noch nicht berufen.
    Da war das Bild wieder da: Naki im Zug der gefangenen Frauen, gefesselt, gebeugt unter der schweren Last...
    Ich muß zu Naki, schrie sie stimmlos in das Licht, ich bitte dich, Große Göttin, versteh, daß ich nicht bleiben kann, sosehr ich es mir wünschte, schick mich noch einmal zurück, bitte, ich muß Naki helfen...
    »Haibe! Komm zurück! Du darfst nicht tot sein, nach allen anderen nicht auch noch du! Ich brauche dich! Trink das, ich flehe dich an, trink!«
    Ihr Körper war eine flammende Qual.
    »Große Bärin, hilf meiner Schwester! Laß mich nicht zu spät gekommen sein!«
    Jemand hielt ihren Kopf, träufelte Wasser in ihren Mund,
    unter gräßlicher Anstrengung kämpfte sie gegen den glühenden Schmerz, schluckte das Wasser, trank.
    »So ist es gut. Trink weiter, Haibe, trink! O Schwester, meine Schwester!«

4
    Amros, sag Agala, ich möchte Tee mit

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