Die Göttin im Stein
hat hier jemand etwas so Liebes zu mir gesagt! schluchzte Agala dicht an ihrem Ohr.
Zaghaft legte Moria die Hand auf das Haar der Schwägerin.
Agala löste sich wieder von ihr, wischte sich die Tränen a dem Gesicht. »Holen wir Holz!«
In stiller Übereinkunft erledigten sie die Arbeit.
Als die Männer gegessen hatten, aßen Moria und Agala mit der Mutter und den anderen Frauen und den Kindern die Reste. Dann schickte die Mutter Agala und Moria in den Gemüsegarten: Die Beete mußten gehackt und gesäubert werden. Agala ging voraus. Moria holte noch die Geräte aus dem Schuppen.
Als sie in den Garten kam, kniete Agala mitten in einem Beet und zeichnete mit den Fingern etwas in die Erde. »Was tust du da?« fragte Moria und trat neben sie.
Agala zuckte zusammen, »Ach, nichts!« und verwischte hastig ihre Zeichnung.
Aber Moria hatte gesehen, was Agala gezeichnet hatte: ein offenes Dreieck. Plötzlich war Morias Mund trocken. Das Dreieck. Das Zeichen der Schwarzen Göttin des Alten Volkes.
Der Vater hatte streng verboten, daß an seinem Hof die Schwarze Göttin angerufen wurde.
Sie mußte es ihm sagen.
Er würde dafür sorgen, daß Krugor Agala schwer bestrafte, vielleicht sogar tötete, so wie der Vater vor Jahren eine seiner Nebenfrauen –
Ein Alp legte sich auf ihre Brust.
Sie konnte es nicht. Nicht Agala, die an ihrer Schulter geweint hatte.
Sollte sie die Schwägerin warnen? O nein, damit wäre offensichtlich, daß sie gesehen hatte, was sie niemals hätte sehen und verschweigen dürfen ...
Wenn sie tat, als habe sie nichts bemerkt, dann war es so, als sei alles in Ordnung.
Und außerdem – vielleicht hatte sie sich getäuscht!
Agala nahm eine Hacke und begann scheinbar unschuldig tu arbeiten.
Moria ließ sich neben ihr nieder und versuchte zu vergessen, was sie gesehen hatte. Es gelang ihr nicht. Aber sie wußte nun, sie würde die Schwägerin nicht verraten. Denn schließlich, war sie selbst nicht um vieles schuldiger, auch wenn es schon so lange zurücklag?
Heftig hackte sie auf den Boden ein, hackte gegen das Wirbeln in ihrem Kopf an.
Sie war ein kleines Mädchen im kurzen Kleid: Den Finger im Mund stand sie am Tisch, keiner achtete auf sie, alle Frauen waren mit der Vorbereitung des Gastmahls beschäftigt. Sie nutzte die allgemeine Hast, um rasch den Finger in den süßen Brei und dann wieder voll scheinbarer Unschuld in den Mund zu stecken, wieder und wieder.
Niemand merkte es.
Mit hochrotem Gesicht gab die Mutter den Neben frauen, den Mägden und Cythia, der großen Schwester, Anweisungen, lief hin und her, kostete den Met, prüfte die Tücher, sah nach dem Brot im Ofen, der Suppe im großen Topf, dem Fleisch am Grillspie ß, rührte Beeren unter die Dickmilch.
»Geh, Moria, steh mir hier nicht im Weg!« Ungeduldig schob die Mutter sie beiseite.
Sie schlüpfte aus dem Haus. Auf eine Gelegenheit wie diese hatte sie gewartet.
Sie spähte über den Hof. Kein Mensch zu sehen. Und das Tor einen Spaltbreit geöffnet.
Unbemerkt zwängte sie sich durch das schwere Tor, blickte noch einmal ängstlich zurück, dann rannte sie den Weg hin unter, so schnell sie konnte.
Als sie die Hecke erreicht hatte, verließ sie den Weg, lief im Sichtschutz der dichten Büsche, etwas langsamer nun: Hier hatte sie keine Entdeckung mehr zu fürchten.
Rauhreif lag auf der morgendlichen Wiese, brannte unter ihren nackten Füßen. Dennoch war ihr heiß.
Mit Cythia gemeinsam hatte sie schon manchmal etwas Verbotenes getan. Sie war sehr mutig, die große Schwester. Aber jetzt, ganz allein –
Sie erreichte das Wäldchen, schlug sich hindurch, trat wieder ins Freie hinaus, stockte: Dort lag er, am Rand des kleinen Dorfes, der armselige Hof ihrer Freundin Wai.
Sie durfte nicht mehr hingehen.
Der Vater war zornig geworden, als er erfahren hatte, daß sie mit einem Mädchen aus dem Dorf gespielt hatte, die Mutter hatte er angeherrscht: Warum hast du das nicht unterbunden! Ich will nicht, daß meine Tochter mit Kindern vom Alten Volk verkehrt!
Die Schwiegermutter hat gesagt, es kann nicht schaden, wenn eine zukünftige Hausfrau weiß, wie es bei den Bauern zugeht, hatte die Mutter sich verschüchtert zu rechtfertigen gesucht, doch da war der Vater noch zorniger geworden und hatte nicht nur auf die Mutter, sondern auch auf die Großmutter geschimpft, und dabei war die auf den Tod krank gewesen. Und dann hatte er
Moria verboten, zu dem Dorf zu gehen oder mit der Freundin auch nur ein Wort zu reden oder einen
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