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Die goldene Barke

Die goldene Barke

Titel: Die goldene Barke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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Strömung zur Mitte hin tragen. Er ließ das Ruder einen Augenblick los und knotete die Seile auf, die das Segel gerefft hielten. Das viereckige Tuch knallte wie ein Kanonenschuß nieder und wurde sofort vom Wind geschwellt.
    Dann folgte er der Barke den Fluß hinab, und die nächtliche Brise war ihm günstig. Er hörte die hohe Stimme seiner alten Mutter hinter sich herschreien, während der Dunst die Stadt
und schließlich den Kai einhüllte. Er konnte sie nicht sehen. Unwillkürlich rief er: »Lebwohl, Mutter!« Und dann wünschte er, er wäre stumm geblieben.
    »Jephraim! Jephraim!« krächzte Mrs. Tallow. »Wo fährst du hin?«
    Tallow mußte sich gestehen, daß er es nicht wußte. Vielleicht würde er später seine Gründe begreifen, aber jetzt mußte er sich einzig und allein darauf konzentrieren, auf geradem Kurs der Barke zu folgen.
    Er zündete sich seine Pfeife mit Händen an, die im Gleichtakt mit dem Herzen zitterten, stellte dann den Mantelkragen gegen die Kälte hoch. Er zog ihn sich über die Ohren hoch, damit keine ablenkenden Geräusche zu ihm dringen konnten.

    Zweites Kapitel

    D er Tag brach an.
    Tallow hatte die goldene Barke gänzlich aus den
             Augen verloren. Während der Nacht hatte er sie ein-, zweimal erblickt, um sie nur wieder vom Nebel verschluckt zu wissen. Es war nicht zu sehen, wie sie angetrieben wurde, und doch zog sie erhaben und still dahin, war immer dicht vor Tallows kleinem Schiff. Ihre ruhige Ausgewogenheit begeisterte Tallow. Noch nie in seinem Leben hatte er etwas Ähnliches gesehen. Die Barke schien nur ein Ziel zu kennen, während sie den Fluß weiter hinabpflügte, nie anhielt, nie die Geschwindigkeit veränderte und doch immerzu dicht vor ihm war, wenn sie sich auch manchmal im Dunst verlor oder hinter einer Flußbiegung verschwand. Schwitzend hielt Tallow den Kurs und wußte, daß auch er verstehen würde, was der Sinn seines Daseins war, wenn er nur die Barke erreichen oder ihr folgen könnte, wohin sie ihn führte. Das spürte er fast die ganze Zeit über. Nur gelegentlich schwankte er und wischte dann die Zweifel beiseite. Die Barke mußte einfach das sein, wofür er sie instinktiv hielt. Umkehren konnte er jetzt nicht mehr. Die Müdigkeit ließ seine Muskeln schlaff werden und machte ihm die Augen schwer. Er würde sich bald ausruhen müssen, und außerdem war es notwendig, Vorräte zu besorgen, sobald er eine Stadt erreichte, hatte er doch seine Heimatstadt so rasch verlassen.
    Schließlich erreichte die Sonne ihren höchsten Stand. Sie strahlte auf das Wasser nieder und ließ es leuchten wie geborstenes Glas, warf die Schatten der großen Bäume und Büsche am Ufer auf den Fluß. Tallows Auge wurde von grellem Grün und Schwarz und Silber geblendet, bis er die Lider endlich schloß. Er hatte nicht mehr die Kraft, sie wieder zu heben. Sein Kopf fiel gegen die hölzerne Seite seines Bootes, seine Beine streckten sich zwischen dem verschmutzten Tauwerk und den verfaulten Fischkörben aus, seine rechte Hand lag schlaff auf der Ruderpinne.
      Und so trieb das Boot in der Hauptströmung des Flusses, trieb an einem hochliegenden Dorf, an zwei schwarzen Gasthöfen und einer Schmiede vorbei, trieb, bis die sinkende Sonne das Wasser rot färbte und die hellen Farben des Nachmittags in düstere Töne übergingen, die sich vom Grün über Braun zu Grau wandelten, bis schließlich, als die Dämmerung kam, die ganze Welt grau und schwarz war.
    Eulen jagten über den dunkelnden, rasch dahinströmenden Himmel, und die spitzen Schreie ihrer Beute drangen endlich in Tallows Ohren und weckten ihn auf. Er sah sich um, versuchte sich zu erinnern, wo er war. Sein Rücken schmerzte, und seine Schultern taten ihm weh. Er setzte sich mühsam auf. Die Umrisse des Ufers waren ihm nicht vertraut. Mit einem Achselzucken bewegte er die Ruderpinne hin und her. Sein Schiff reagierte lebhaft, und dieser Beweis seiner Macht über das Fahrzeug half ihm, die schweifenden Gedanken zu klären. Er fragte sich, wie lange er geschlafen hatte und wie sein Schiff während der ganzen Zeit mehr oder weniger auf Kurs geblieben war. Er bemühte sich, seinen rasenden Hunger zu vergessen, und schaute mit scharfem Blick nach Anzeichen einer menschlichen Siedlung aus.
    Bald hoben sich in der Ferne scharfe senkrechte Silhouetten von den üppigen Schatten der Bäume ab. Er näherte sich einer Stadt. Tallow seufzte vor Vergnügen auf und begann, auf das Ufer zuzusteuern. Die Bäume wurden seltener,

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