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Die goldene Meile

Die goldene Meile

Titel: Die goldene Meile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Plus.«
    Hauptmann Kol säbelte an seiner Zwiebel herum, ohne den Blick von dem Mädchen zu wenden, und schrie plötzlich auf. »Verdammt!« Er hatte sich geschnitten. Blut lief von der Zwiebel zu seinem Ellenbogen. »Scheiße!«
    »Bluten, Pissen und Nasebohren sind an meinem Tatort verboten.« Viktor schob den Hauptmann hinaus. »Kretin!«
    Es sah nicht nach Mord, Selbstmord oder Überdosis aus, fand Arkadi. Keine Beruhigungsmittel, keine Einstichspuren, nicht die falschen Zähne einer Methadon-Abhängigen.
    »Was ist denn das da?« Viktor hatte das offene Aspirin-Röhrchen mit dem gelben Pulver entdeckt.
    »Da müssen wir die Laboruntersuchung abwarten.«
    Viktor leckte an einer Fingerspitze seines Gummihandschuhs, tauchte sie in das Röhrchen und zog sie mit einem Tupfen Puder wieder heraus. Er schnupperte daran, kostete davon und spuckte es aus wie ein Weinfachmann, der einen minderwertigen Bordeaux verwirft.
    »Clonidin. Gegen zu hohen Blutdruck. Auch mal kosten?«
    »Ich glaub's dir so.«
    »Ein Cocktail aus Clonidin und Wodka würde selbst Rambo umhauen.« Viktor lief sich langsam warm. »Rambo würde dann ohne Geld, ohne Kleider und ohne Pfeil und Bogen aufwachen, und jetzt haben wir einen Fall. Madame Butterfly hier hatte die kriminelle Absicht und die Mittel, um irgendeinen unschuldigen Mann bewusstlos zu machen und zu berauben.«
    Arkadi schüttelte den Kopf. »Madame Butterfly?« »Na, irgendwie müssen wir sie ja nennen. Ich werde nicht die ganze Nacht immer nur >die Verstorbene< sagen.«
    »Alles, nur nicht Butterfly.«
    »Okay. In Italien gibt es so viele russische Prostituierte, dass >Natascha< dort ein anderes Wort für >Hure< ist.«
    »Das würde voraussetzen, dass sie eine Prostituierte war«, sagte Arkadi. »Es würde unsere Haltung beeinflussen.«
    »Dann vergiss den Bauwagen, den Sex, die Drogen. Ist dir >Prinzessin Anastasia< lieber? Oder >0lga    »Wie sieht sie aus?«
    »Sie sieht aus wie ...« Viktor wedelte eine Fliege von ihrem Ohr. »Für mich sieht sie aus wie eine Vera. Das wäre doch ein hübscher Name. Wie eine Figur von Tschechow.«
    »Stimmt.«
    »Gott, ich bin völlig fertig, und wir haben noch kaum angefangen. Das Problem ist, dass Vera die Sache vermasselt hat. Vielleicht hat der Kerl gesehen, was sie vorhatte, und die Gläser vertauscht, als sie ihm den Rücken zuwandte. Vielleicht hat er ihr noch mehr ins Glas getan. Sie ist umgekippt. Er hat sie ausgeraubt und ist abgehauen.«
    »Da gibt's noch ein Problem«, sagte Arkadi. »Hier sind keine Gläser.«
    »Wir können welche besorgen und ihr ein bisschen von dem Schlafpulver auf die Lippen streichen. Sonst packen sie unsere Vera in einen Sack und kippen sie ab, und kein Hahn kräht nach ihr. Sie wird untergehen, ohne auch nur eine Welle zu hinterlassen. Ich sage nicht, wir sollten schon unsere Schlüsse ziehen. Aber wir sollten für alles aufgeschlossen sein.«
    Die junge Frau machte einen beinahe linkischen Eindruck, als habe sie sich an ihre langen Beine noch nicht gewöhnt. Ihre Knie waren schmutzig, aber nicht verkrustet. Arkadi fragte sich, wie sie mit sauber gewaschenem Gesicht aussehen würde.
    Viktor betrachtete die Wodkaflasche. Halb leer, halb voll, eine silbrige Verlockung. Sie hatten sie beide nicht angerührt, um keine Fingerabdrücke zu verwischen. Arkadi hörte das trockene Schlucken seines Kollegen.
    »Weißt du, was ich so tragisch finde an all dem Geld, das hier im Umlauf ist?«, fragte Viktor.
    »Was ist daran tragisch?«
    »Früher kostete eine Flasche Wodka zehn Rubel. Gerade so viel, dass drei Männer sich eine teilen konnten. Nicht zu teuer, nicht zu billig. So konnte man Leute kennenlernen und Freunde finden. Jetzt, wo sie Geld haben, sind sie selbstsüchtig geworden. Niemand teilt mehr. Es hat das Gewebe der Gesellschaft zerrissen.« Viktor hob den Kopf. »Also hast du mich für nichts und wieder nichts aus der Ausnüchterung geangelt.«
    »Wahrscheinlich.«
    »Warum kommst du nicht mit mir zu der Parkgarage?«, fragte Viktor. »Der Hund heißt Fuck-off.«
    »Wir brauchen einen Zeugen. Oder wenigstens ihren Zuhälter. Zum Glück ist der Zuhälter in der Nähe.«
    »Wo denn?«
    Arkadi strich mit dem Finger über das Stromkabel, das von der Glühbirne zum Fenster führte. »Am anderen Ende von dem hier.«
    Viktor ging hinaus, und Arkadi blieb im Wagen bei dem toten Mädchen und der Wodkaflasche. Auftragsmorde nicht mitgerechnet, war bei vier von fünf Gewaltverbrechen Wodka

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