Studenten in meinen Kampfsportkursen immer: «Wenn eine Autopanne euch zwingt, nachts eine einsame Straße entlangzugehen, und ihr euch einbildet, daß hinter jeder Ecke ein Straßenräuber steht, leidet ihr an Verfolgungswahn. Wenn ihr euch in Sicherheit wiegt, seid ihr dumm. Wenn ihr meint, daß eine Gefahr bestehen
könnte, und wachsam, aber optimistisch seid, dann seid ihr klug. »
Mein Freund Mike, den ich vor ein paar Jahren kennenlernte, erzählte mir einmal von einem kurzen Gespräch, das er mit seinem Feldwebel im Dschungel von Vietnam führte. Es herrschte allgemeine Mutlosigkeit, und am nächsten Tag stand Mike sein erster Einsatz bevor. «Sergeant», sagte er, «ich habe das Gefühl, auf einer von den Kugeln, die uns morgen um die Ohren fliegen werden, steht mein Name. »
«Darüber würde ich mir an deiner Stelle keine Sorgen machen», erwiderte der Sergeant. «Mich ängstigen eher die Kugeln, auf denen steht:
. »
Mike erzählte mir weiter, in dieser Nacht hätte er kaum schlafen können. Er mußte seiner eigenen Sterblichkeit ins Auge sehen – der Tatsache, daß er morgen vielleicht schon nach Sonnenaufgang verwundet, verstümmelt, verkrüppelt oder getötet werden würde. Er sah sich in Gedanken im Krankenhaus, im Rollstuhl und im Leichenwagen; er sah, wie seine Angehörigen weinten, und da kamen auch ihm die Tränen. Er setzte sich hin und schrieb für den schlimmsten Fall einen Brief an seine Familie. Er schrieb seiner Frau und den Kindern, daß er sie liebte und an sie dachte. Das war das einzige, was er tun konnte. Nachdem er einmal dem Schlimmsten ins Auge gesehen hatte, wurde seine Angst nie wieder so groß, und er konnte sich nun in Gedanken auf den positivsten Ausgang konzentrieren, der denkbar war: nämlich, daß er diesen und den nächsten Tag überstehen würde, ohne erschossen zu werden oder selbst jemanden erschießen zu müssen.
In der nächsten Übung wollen wir uns einmal ganz bewußt den schlimmstmöglichen Fall vorstellen (im Gegensatz zu früher, wo wir unzählige Male unbewußt an das Schlimmste gedacht haben), und dann lösen wir uns von dieser Vorstellung und verlagern unsere Aufmerksamkeit auf positivere Möglichkeiten.
Male dir das Schlimmste aus
Blicke in die Zukunft und stelle dir eine Situation vor, die dich ängstigt oder nervös macht oder dir Sorgen bereitet.
Male dir das Schlimmstmögliche aus.
Plane voraus: Wie würdest du reagieren, wenn es passierte?
Akzeptiere diesen schlimmsten Fall als mögliche Konsequenz. Und dann löse dich von dieser Vorstellung und konzentriere deine Aufmerksamkeit auf den günstigsten Fall, der eintreten könnte .
Wenn Angst aus der negativen Phantasievorstellung erwächst, was alles passieren könnte, dann haben wir auch jederzeit die Wahl, unsere Aufmerksamkeit wieder auf den jetzigen Augenblick zurückzulenken, eine der wichtigsten Übungen im täglichen Leben eines friedvollen Kriegers.
Immer, wenn ich einen neuen, gefährlichen Sprung vom Reck versuchte, bereitete ich mich sorgfältig darauf vor, um die sehr realistische Möglichkeit einer Verletzung auszuschalten. Ich wußte ganz genau, was im schlimmsten Fall passieren konnte – daß ich mir bei diesem akrobatischen Kunststück katastrophale Verletzungen zuziehen konnte –, und deshalb nahm ich mich in acht. Doch nachdem ich die notwendigen körperlichen, emotionalen und geistigen Vorbereitungen getroffen hatte, verschwendete ich praktisch keinen Gedanken mehr an einen möglichen Unfall. Kurz bevor ich mit der Übung begann, konzentrierte ich mich darauf, wie schön ich sie ausführen konnte, und nicht auf die Frage, ob ich sie überleben würde oder nicht. Manche Menschen verfolgt ständig der Gedanke an das Schlimmste; ihr Leben scheint voller Gefahren zu sein, weil sie voller Angst sind. Andere haben es sich zur Gewohnheit gemacht, sich immer das Beste auszumalen; ihr Leben ist voller Energie, günstiger Gelegenheiten und freudiger Erwartung.
Wie man mit Kummer fertig wird
Mit dem Kummer ist es wie mit allen seelischen Problemen: Ehe man ihn bewältigen kann, muß man ihn vollständig akzeptiert haben. Umarme deinen Kummer, so wie du ein kleines Kind in den Arm nehmen würdest. Halte ihn fest, fühle ihn, lote ihn bis in die tiefsten Tiefen aus. Die Fähigkeit zu weinen ist ein Geschenk Gottes. Hinterher fühlen wir uns oft so wohl wie nach
einem herzhaften Lachen. Lachen ist ein Spiegelbild des Weinens und umgekehrt. Ist dir übrigens schon