Die Goldgräber-Bande
Leine im Maul.
Gaby trank ein Glas Milch,
schrieb eine kurze Mitteilung für ihre Eltern und legte den Zettel auf den
Küchentisch.
Mit dem Bücherpaket, das sie
für Sabine Rädl vorbereitet hatte, verließ sie die Wohnung. Oskar lief mit,
voll freudiger Erwartung. Gaby holte ihr Rad vom Hof. Auf dem ersten Stück
Weges schob sie’s, weil Oskar mehrmals das Bein heben mußte. Ab ging dann die
Post zur Professor-Valentin-Rödelmeyer-Straße.
Stille Straßen. Eine Turmuhr
schlug. 8.30Uhr! Sehr früh für einen Sonntag. Der Ausflugs-Verkehr hatte noch
nicht eingesetzt. Hoffentlich war Sabine schon auf.
Wenn nicht, dachte Gaby, lege
ich ihr die Bücher vor die Tür. Den Gartenteich kann sie mir ein anderes Mal
zeigen. Und ihre Schildkröte, die alte Susi.
Allmählich belebten sich die
Verkehrsadern. Oskar hechelte.
Als Gaby bei den Rädls
anlangte, stand die Einfahrt offen — und Sabine, die Elfjährige, kam aus der
Garage, einen grünen Plastikbehälter im Arm. Aufschrift: Dr. Teichmanns
Teichfutter-Spezial mit hohem Eiweißkonzentrat.
„Hallo, Gaby! Super, daß du
schon kommst. Guten Morgen, Oskar!“
Sabine strahlte. Sie hatte ein
schmales Gesicht mit großen Braunaugen und den Kopf voller Kringellocken.
„Komme ich zu früh?“ Gaby stieg
ab, und Oskar gab Sabine die Pfote.
„Gar nicht. Wir sind
Frühaufsteher. Und Vati hat ja die ganze Nacht nicht geschlafen.“
„Er hat Sonntagsdienst. Ich
weiß.“
„Er ist immer noch in der
Apotheke. Ich zeig dir meinen Gartenteich, bevor wir reingehen, ja?“
Hinterm Haus war er der
Mittelpunkt einer großen Rasenfläche.
Es sei ein Folienteich,
erklärte Sabine. Ziemlich genau 10 Quadratmeter groß. Und 80 Zentimeter tief.
„Wichtig ist, Gaby, daß die
Ränder flach abfallen. Damit die Tiere zwischen Land und Wasser hin und her
kriechen können. Darauf muß man achten beim Verlegen der Folie. Ja, unten ist
die dicht. Sonst würde das Wasser versickern. Siehst du die Fische?“
„Toll!“ Gabi bewunderte.
„Wir haben Moderlieschen und
Bitterlinge. Außerdem zwei Wasserfrösche, Posthorn- und Schlammschnecken. Und Teichmolche.“
„Er ist toll grün euer Teich.“
„Das muß auch sein. Mutti hat
allerlei gepflanzt! Laichkraut, Wasserpest und Teichlebermoos. Das dort ist
Schilf. Das habe ich ausgesät.“
Eins der rückwärtigen Fenster
stand offen. Gaby hörte, wie Geschirr klapperte. Sie drehte sich um und
erkannte Nina Rädl, die in der Küche hantierte. Aber Sabines Mutter wandte den
beiden Mädchen den Rücken zu — was sonst nicht ihre Art war.
„…und dort meine Schildkröte“,
sagte Sabine, was Gabys Aufmerksamkeit wieder in eine andere Richtung lenkte.
Die alte Susi kroch in einem
Geviert aus Brettern, die mindestens handbreit im Boden steckten. Das war
nötig, sonst wäre Susi sonstwohin gekrochen. Sie war etwa 40 Zentimeter lang,
der Panzer hornfarben: eine mazedonische Landschildkröte.
„Sie ist jetzt 73 Jahre alt“,
berichtete Sabine.
„Das wißt ihr genau?“
„Mein Urgroßvater hat sie 1918
von einem Wanderzirkus gekauft. Da war sie einjährig. Seitdem ist sie in
unserer Familie. Susi funktioniert besser als eine Wetterstation. Bevor es kalt
wird, zeigt sie das an, indem sie sich eingräbt. Oder — wenn sie frei läuft —
kommt sie ins Haus: durch das Kellerfenster dort, wo die Rutsche ist. Mutti hat
das Schrägbrett machen lassen. Im Keller hat Susi ihre Kiste. Auch für den
Winter.“
Gaby durfte die
Schildkröten-Oma in die Hand nehmen. Uralte Augen schauten sie an. Oskar
beschnupperte Susi, die dabei den Kopf etwas einzog.
„Am liebsten frißt sie
Erdbeeren und reife Tomaten“, sagte Sabine.
Vom Fenster her rief Nina Rädl:
„Frühstück! Gaby, du bist eingeladen.“
Die Mädchen gingen ins Haus.
Oskar durfte mit.
Gaby begrüßte Nina Rädl und war
ein bißchen erschrocken. Sabines Mutter — sonst frisch und sportlich — hatte
ein totenbleiches Gesicht und eiskalte Hände. Die Lippen zitterten, und das
Lächeln wirkte gekünstelt.
„Gaby hat mir 14 Schulbücher
geschenkt“, Sabine zeigte den dicken Stoß, „und überall am Rand sind Lösungen
und Erklärungen hingeschrieben. Toll, wie mir das Arbeit erspart. Du schreibst
super deutlich, Gaby. Ich kann jedes Wort lesen.“
„Selbermachen bildet“, sagte
Nina. „Setzt euch schon. Ich will nochmal versuchen, ob ich Vati erreiche.“
In der großen Küche gab’s eine
Eßbar. Man saß auf Hockern. Es duftete nach Toast und nach Tee. Eier
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