Die Goldgräber-Bande
waren
gekocht, Orangensaft stand bereit. Oskar erhielt eine Schüssel mit frischem
Wasser.
Sabine wies auf das große
Marmeladen-Glas. „Moosbeeren-Gelee, Mutti hat es selbst gemacht. Schmeckt
besser als alles, was man kaufen kann.“
Nina kam aus der Diele, wo das
Telefon stand.
„Jetzt fange ich aber an, mir
Sorgen zu machen. Vati nimmt nicht ab.“
„Bestimmt ist er schon
unterwegs“, sagte Sabine, „und jeden Moment hier.“
„Ich versuche es seit einer
dreiviertel Stunde. Er geht nicht ans Telefon. Mit dem Wagen braucht er nie
länger als zehn Minuten — von der Wendelring-Straße bis hierher.“
Sie frühstückten.
Gaby war begeistert vom
Moosbeeren-Gelee.
Nina ging noch zweimal ans
Telefon. Aber ihr Mann meldete sich nicht.
„Ich fahr hin“, sagte Nina.
„Ihr könnt ja noch frühstücken.“
„Nein, da fahre ich schon mit“,
antwortete Sabine.
„Ich käme auch gern mit“, sagte
Gaby, „wenn ich darf. Mein Rad lasse ich hier. Oskar nehme ich auf den Schoß.
Sollte irgendwas vorgefallen sein, könnte ich sofort meinen Papi verständigen.“
Nina seufzte und nickte.
„Was soll denn vorgefallen
sein?“ fragte Sabine. „Ich sag’s euch: Vati hat aus Versehen eine
Schlaftablette genommen und ist jetzt nicht wach zu kriegen.“
Sie nahmen Ninas Wagen, den
kleinen Jeep: ein weißer Roadster mit roten Sitzen und creme-farbenem
Stoffverdeck.
Gaby putzte Oskar die Pfoten
ab, bevor er einstieg. Auf den Schoß nahm sie ihn dann allerdings nicht. Das
wäre wirklich nicht nötig, meinte Nina. Er legte sich vor einen der Rücksitze.
Zehn Minuten Fahrt. Die
Wendelring-Straße war noch feucht vom Regen. Bei GLOTZE lief das letzte der
Fernsehgeräte. Irgendwas Lustiges. Jedenfalls fiel gerade jemand in eine
Sahnetorte. Zwei kleine Jungs, die vor dem Schaufenster standen, lachten. Sie
hatten ihre Skateboards unterm Arm. Zumindest der eine war schon kräftig auf
den Hintern gefallen — seine hellen Shorts hatten eine schlammschwarze
Rückseite.
Die Apotheke war abgeschlossen.
Nina klingelte, klopfte, rief.
Nichts rührte sich.
„Drinnen ist noch Licht“, sagte
Gaby.
Nina suchte an ihrem
Schlüsselring den passenden Schlüssel und stellte fest: Er ließ sich ins Schloß
einführen. Innen steckte also keiner.
Die drei traten ein. Oskar, von
Gaby an der Leine geführt, nieste.
„Jochen!“ Nina rief.
Sie lief nach hinten.
Gaby blickte sich um.
Nichts war ungewöhnlich.
„Jetzt habe ich Angst“,
flüsterte Sabine. „Wo ist Vati?“
„Pst!“ Nina stand in der Tür
zum Büro.
Alle horchten.
Dumpf, wie durch dicke Wände,
drang die Stimme von irgendwoher: „Hallooo! Hier! Im Keller.“
Nina schien aufzuatmen. Sie
lief die Treppe zum Keller hinunter, die Mädchen folgten ihr.
„Hier!“
Jetzt war Rädls Stimme deutlich
zu hören. Sie kam aus einem der Räume.
„Hier!“ Der Apotheker hämmerte
von innen gegen die Tür. „Ich bin eingesperrt. Nina, bist du’s? Ist jemand bei
dir? Ich wurde überfallen. Ein bewaffneter Überfall. Der Täter hat sämtliche
Narkotika mitgenommen. Ich mußte ihm alles einpacken.“
17. Die Technik der Vernehmung
Kirchenglocken läuteten und
riefen zum Gottesdienst.
Hier in der ALTEN APOTHEKE war
niemandem danach zumute.
Gaby hatte ihren Vater
angerufen, der sofort kam. Erst mit seiner Hilfe war es gelungen, Dr. Rädl aus
seinem Verlies zu befreien.
Sabine fand das alles sehr
spannend — aber erst nach dem anfänglichen Schreck.
Ihre Mutter war so bleich und
fahrig wie zuvor; auch ihre Hände fühlten sich noch immer eiskalt an.
Als hätte sie’s zu Hause schon
gewußt, dachte Gaby. Kann man solche Ahnungen haben? Das wäre doch glatt hellseherisch!
Gibt’s denn so was?
Dr. Rädl stärkte sich mit
Kaffee aus der Kaffeemaschine in seinem Büro. Sein Gesicht wirkte jetzt noch
matter, und wenn er die Brille abnahm, sah er urlaubsreif aus.
Auch Kommissar Glockner nahm
eine Tasse Kaffee, die Frau Rädl ihm anbot. Gabys Vater
— hochgewachsen, mit markanten Zügen — strahlte Ruhe aus wie der
sprichwörtliche Fels in der Brandung. Und er stellte genaue Fragen.
„Sie sind sicher, Herr Dr.
Rädl: Es war 1.20Uhr?“
„Ich hatte kurz vorher auf die
Uhr gesehen, Herr Kommissar. Es war 1.20 Uhr. Irrtum ausgeschlossen.“
„Es hatte also geklingelt, und
Sie gingen zur Tür. Sahen Sie den Täter durchs Fenster?“
„Ich sah ihn. Aber mir fiel
nicht auf, daß sein Gesicht seltsam starr war. Ich sehe nicht gut. Außerdem war
ich müde.
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