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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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werden die Spanier mit uns machen?«, fragte de Poleur eines Abends, als die Sonne das Meer im Westen wie ein riesiger, blutroter Ball berührte und den ganzen Horizont in Flammen zu setzen schien.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Lea mit hochgezogenen Schultern.
    »Sie werden uns wieder auf die ›Zwaluw‹ stecken und nach Hause schicken«, sagte Heimbert von Kandern so bestimmt, als hätte er den Befehl schon vernommen.
    »Das will ich nicht hoffen!« Leas Stimme klang so panikerfüllt, dass ihre Freunde sich spöttisch ansahen. Ein Fehlschlag musste wohl einen herben Verlust für das Bankhaus darstellen, welches ihr kühler Freund vertrat.
    Tatsächlich aber galt Leas Sorge ihrem wahren Auftrag. Wenn die Delegation zurückgeschickt wurde, konnte sie nichts für die Conversos tun, die verzweifelt auf Hilfe warteten. Vor ihrem inneren Auge zogen die Leute wie eine geisterhafte Prozession an ihr vorbei, ausgezehrte Männer, Frauen und Kinder, die auf Scheiterhaufen gebunden wurden und sich im Angesicht einer grölenden Menschenmenge in den Flammen wanden. So weit durfte es nicht kommen, schwor sie sich, und wenn sie aus dem Kloster fliehen und sich auf eigene Faust durch das ganze Land schlagen musste. Ihr wurde bewusst, dass sie das wohl bald würde tun müssen, denn sie war auf die Schiffer angewiesen, die gegen gemünztes Gold das Risiko auf sich nahmen, Flüchtlinge aus dem Land zu schmuggeln.
    Orlando hatte ihr zwei Kapitäne genannt, denen sie vertrauen konnte. Den Ersten von ihnen, den Genueser Filippo Ristelli, würde sie wohl verpassen, denn er sollte Orlandos Informationen zufolge im November oder Dezember den Hafen von Alicante anlaufen. Die Zeit reichte einfach nicht mehr, Baramosta und seine Verwandten zu finden und Verbindung zu dem Schiffer aufzunehmen. Also musste sie auf Angelo Scifo aus Palermo warten, dessen Ankunftszeit noch ungewisser war als die von Ristelli. Er konnte ebenso gut im Februar auftauchen wie im April.
    Während Leas Gedanken um ihre Aufgabe und die Probleme kreisten, die sich vor ihr auftürmten, diskutierten ihre Freunde ebenfalls, was sie tun konnten, um dieser unwürdigen Situation ein Ende zu bereiten. Der leicht entflammbare de Poleur schlug vor, den nächsten spanischen Edelmann, der ihnen nicht passte, zum Zweikampf zu fordern. Van Haalen, der etwas schwerfällig wirkte, gab zu bedenken, dass es nicht ihre Aufgabe sei, die Ritter Spaniens zu dezimieren, die sich zum Sturm auf Granada bereitmachten. Ein paarmal sprachen die vier auch Lea an, doch diese saß mit angespanntem Gesicht auf einer Mauerkante und starrte blicklos in die Ferne.
    »Léon träumt mal wieder«, spottete Heimbert von Kandern gutmütig. Kaum hatte er es ausgesprochen, schweiften auch seine Gedanken ab. Er musste an den heimatlichen Schwarzwald denken, in dem jetzt, Anfang November, bereits der erste Schnee fiel.
    Auch Lea dachte an zu Hause und fragte sich, wie ihre Familie während ihrer langen Abwesenheit zurechtkam. Sie konnte nur hoffen, dass Elieser und Rachel ihre Aufgaben erfüllten und sich wenigstens um das Notwendigste kümmerten, denn wenn die beiden den Markgrafen verärgerten, würde sie bei ihrer Rückkehr nur noch einen Trümmerhaufen vorfinden.

11.
    Der Winter war in diesem Jahr früher als sonst eingetroffen.
    Zu St. Martin hatte noch die Sonne geschienen, wenn es auch bereits kalt gewesen war, doch in den Tagen danach schneite es ununterbrochen, und die bewaldeten Hänge des Schwarzwalds färbten sich weiß. In Hartenburg lag der Schnee kniehoch, und die Leute mühten sich ab, um die Gassen der Stadt begehbar zu halten.
    Elieser ben Jakob berührte der Wechsel der Jahreszeiten nur wenig. Er saß in seiner warmen Stube und las den Brief, den Ruben ben Makkabi ihm geschrieben hatte. Eigentlich war der Brief an Samuel gerichtet, doch da seine Schwester schon seit etlichen Wochen in der Ferne weilte, hatte er das Siegel erbrochen. Von den geschäftlichen Dingen, die in dem Schreiben angesprochen wurden, verstand er nicht viel, aber der persönliche Teil, dem der Absender mehrere Seiten gewidmet hatte, interessierte ihn umso mehr. Ruben drängte auf die seit langem ins Auge gefasste Doppelhochzeit zwischen seinem Sohn Jiftach und Lea sowie seiner Tochter Hannah und Samuel, und er zeigte sich enttäuscht, weil Samuel immer noch Ausflüchte hatte. Elieser kicherte, als er sich vorstellte, wie Lea sowohl mit Jiftach als auch mit dessen Schwester unter den Hochzeitsbaldachin trat. Ruben ben

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