Die Goldhaendlerin
Oberlippenbart hatte. Während die Mönche ihn eingehend musterten und sogar um ihn herumgingen, blieb der Herzog ein wenig zurück und versammelte etliche Soldaten in seiner Nähe. Lea musste ein Lachen unterdrücken, denn sie hatte längst begriffen, wen die Spanier suchten. Niemand, der Orlando einmal gesehen hatte, würde ihn mit de la Massoulet verwechseln, denn gegen den verwegenen Handelsagenten wirkte der Wallone höchstens durchschnittlich.
Die Mönche schienen zu dem Schluss zu kommen, dass de la Massoulet nicht der Gesuchte sein konnte, sie schüttelten unmerklich den Kopf und gingen zum Nächsten weiter. Heimbert von Kandern und seiner vierschrötigen Gestalt schenkten sie nur einen flüchtigen Blick, aber de Poleur weckte für einen Moment ihr Interesse. Doch auch er entsprach nicht Orlandos Beschreibung.
Die Mönche ließen einen leisen Ausruf der Enttäuschung vernehmen und wandten sich Lea zu, der vor Angst das Herz in die Hose rutschte. Für einen Moment fürchtete sie, die Leute hätten von Rolands Plan erfahren und besäßen ihr Signalement. Während die Mönche sie musterten, hörte sie ihr Blut in den Ohren rauschen und raffte ihren ganzen Mut zusammen, um die Blicke der Kuttenträger frech zu erwidern. Einer der Mönch winkte verächtlich ab und zog seinen Gefährten weiter, und Lea hörte noch, wie er sie ein Milchgesicht nannte. Dann wandten die Mönche ihre Aufmerksamkeit den Dienern und Knechten der Edelleute zu, wurden bei ihnen aber ebenso wenig fündig.
Die Prozedur dauerte länger als eine Stunde, und danach wurde die Gesandtschaft ohne Angabe von Gründen in ihre Quartiere zurückgeschickt. In den nächsten Tagen brachten Soldaten die Mitglieder der burgundischen Delegation einzeln in die Gemächer des Priors, die Montoya für die Verhöre beschlagnahmt hatte. Während man die hohen Adeligen ihrem Rang gemäß höflich behandelte, nahm man bei ihren Begleitern keinerlei Rücksicht auf irgendwelche Empfindlichkeiten. De Poleur und de la Massoulet wurden jeweils mehr als drei Stunden lang befragt und mussten beinahe über jeden Augenblick Rechenschaft ablegen, den sie auf der »Zwaluw« verbracht hatten.
Als Lea zum Verhör gerufen wurde, fühlten sich ihre Knie so weich an wie feuchte Schwämme, und ihre Ängste gaukelten ihr vor, der berüchtigte Großinquisitor Tomas de Torquemada, von dem es hieß, er entlarve Ketzer und heimliche Juden auf den ersten Blick, würde schon auf sie warten. Aber der Mann, der sie aufforderte, sich auf den bereitstehenden Stuhl zu setzen, war ein ihr unbekannter Dominikanermönch. Er starrte sie eine Weile stumm an, forderte sie dann schroff auf, sich auszuweisen, und kontrollierte jeden einzelnen ihrer Geleitbriefe und Handschreiben so gründlich, als bezweifle er ihre Echtheit. Im Stillen dankte Lea Orlando für seine Voraussicht, denn keines der Schreiben war mit der gleichen Tinte geschrieben oder mit dem gleichen Wachs gesiegelt, und die Herkunft des Papiers und der Grad der Vergilbung waren ebenfalls unterschiedlich. Lea erklärte dem Mönch, der sie mit abwechselnd sanfter und scharfer Stimme vernahm, dass sie Léon de Saint Jacques hieße, ursprünglich französischer Herkunft sei und sich nun in den Diensten der Herren Eelsmeer und Deventer, der Bankiers Herzog Maximilians, befände. Der Mönch verglich ihre Aussagen mit dem Inhalt ihrer Schreiben und fragte sie dann, ob sich auf der »Zwaluw« noch ein weiterer Passagier befunden hätte, der unterwegs verschwunden sei. Lea wusste nicht, dass Montoya diese Frage bereits dem Lotsen gestellt hatte, der die »Zwaluw« von La Coruna hierher geleitet hatte. Da der Mann sich sicher war, dass niemand während seiner Anwesenheit das Schiff verlassen hatte, wollte man wissen, ob die bewusste Person die »Zwaluw« bereits vor dem ersten Aufenthalt in einem spanischen Hafen verlassen haben könnte.
Lea konnte ihm nicht sagen, ob sich eine weitere Person an Bord befunden hätte, wollte es aber auch nicht ausschließen, da sie weder sämtliche Mitglieder der Gesandtschaft noch die Besatzung des Schiffes persönlich kannte. Der Mönch gab sich schließlich damit zufrieden und winkte ihr, zu gehen. Sie konnte nicht wissen, dass ihre Aussage wie die einiger anderer Mitreisender dazu führte, dass Jan Ruyters und seine Besatzung einem scharfen Verhör unterworfen wurden. Da niemand wusste, wen die Spanier suchten, trugen deren Aussagen noch mehr zur Verwirrung bei. Lea, die eifrig den Gesprächen der anderen
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