Die Goldhaendlerin
kurzem einen zweiten Sohn geboren hatte, so dass die Erbfolge Hartenburgs nunmehr gesichert war. Rachel war sich sicher, dass der Markgraf es nicht lange ohne Beischläferin aushalten würde, und beschloss zu handeln.
Sie war überzeugt davon, dass Leas falsches Spiel über kurz oder lang auffliegen und die Familie ins Unglück stürzen musste, so dass sie alle als Bettler von dannen ziehen oder vielleicht sogar von den Männern eines beleidigten Landesherrn erschlagen wurden, und sie glaubte, den einzig gangbaren Weg gefunden zu haben, das zu verhindern. Sie, Rachel Goldstaub, würde den Markgrafen so becircen, dass er alles tat, was sie von ihm verlangte. Auf diese Weise würde sie sich und ihren Angehörigen endlich die Sicherheit verschaffen, von der ihre Schwester immer nur redete.
Es war ein offenes Geheimnis in der Stadt, dass Ernst Ludwig sich in seine Jagdhütte zurückgezogen hatte, die eine gute Wegstunde außerhalb Hartenburgs an der Südflanke des Rauchbergs stand. Dort wartete er, bis sich die Hektik der Abreise seiner Gemahlin gelegt hatte und das Schloss wieder in den Zustand versetzt worden war, der seinen Vorstellungen entsprach. Rachel war im letzten Sommer einmal in der Nähe des gar nicht wie eine Hütte wirkenden Gebäudes spazieren gegangen, um den wuchtigen, ganz aus Holz errichteten Bau zu betrachten, und sie traute sich zu, das Haus trotz des hohen Schnees zu Fuß zu erreichen.
Kurz entschlossen schlüpfte sie in Jochanans Filzstiefel und seinen Fellmantel, der ihr bis zu den Füßen reichte, setzte sich die warme Kappe auf und lief schnell zur Tür, um nicht entdeckt zu werden. Als sie ins Freie trat, biss die Kälte in jedes blanke Stück Haut und kroch unter ihre Kleidung. Sie schüttelte sich und wollte im ersten Impuls ins Haus zurückkehren, doch ihr war klar, dass es vielleicht die einzige Gelegenheit war, ihrem Ziel näher zu kommen. Wenn sie wartete, bis es wärmer wurde, hätte längst ein anderes Kebsweib den Platz an der Seite des Markgrafen eingenommen. Rachel zog den Mantel eng um sich, schob die Kappe tiefer ins Gesicht und stapfte über deh Hof. Bevor sie durch das Tor auf die Gasse trat, warf sie einen letzten Blick auf das Haus, in dem sie geboren worden war, und schwor sich, es um jeden Preis für Elieser und dessen Nachkommen zu erhalten.
Als sie das Stadttor erreichte, hockten die Wächter in ihrer Stube am Feuer und warfen ihr nur einen flüchtigen Blick zu. Rachel wurde klar, dass man sie für Jochanan hielt, und fröstelte mit einem Mal, obwohl ihr durch die Bewegung warm geworden war. Vor der Stadt fegte der Wind ungehindert über die Felder, wirbelte den Schnee hoch, trieb ihn vor sich her und türmte ihn zu mannshohen Verwehungen auf. Rachel senkte das Gesicht bis in den Kragen und wanderte tiefgebeugt wie eine alte Frau auf den Spuren, die Schlitten und Karren zwischen den Schneewänden hinterlassen hatten.
Zunächst kam sie rasch vorwärts, aber als sie den Wald erreichte, von dessen Wipfeln es der Wind immer noch schneien ließ, sank sie bei jedem Schritt bis zum Knie ein, und als die Turmuhr von St. Koloman das dritte Mal die Stunde schlug, ohne dass ihr Ziel in Sichtweite kam, wurde ihr angst und bange. Sie befürchtete, sich verlaufen zu haben, und sah sich schon erfroren am Fuß einer der mächtigen Eichen liegen oder zum Opfer der Wölfe werden, die bei einer solchen Kälte bis vor die Stadtmauern kamen, um dort auf leichtsinnige Beute zu lauern.
Sie blieb stehen, drehte sich um und wollte auf ihrer langsam verwehenden Spur zurückkehren, als in der Ferne ein leises Klingeln ertönte, das sich rasch näherte. Wenig später sah sie einen von zwei Rappen gezogenen Schlitten in rasender Fahrt auf sich zukommen. Sie stolperte zwei Schritte zurück, zog dann aber die Kappe ab, schwenkte sie und rief um Hilfe. Für einen Moment kamen ihr die Pferde so nahe, dass sie sie beinahe umgerissen hätten, doch der Kutscher lenkte das Gespann im letzten Moment zur Seite und brachte es zum Stehen. Gleichzeitig erhob sich eine in flauschige Pelze gehüllte Gestalt von der weich gepolsterten Bank des prachtvollen Schlittens und wandte sich ihr zu.
»Wen haben wir denn da?«
Rachel erkannte die Stimme des Markgrafen und atmete erleichtert auf, ließ ihre Stimme jedoch sehr jämmerlich klingen.
»Ich bin Rachel, Jakob Goldstaubs Tochter.«
Ernst Ludwig schob die Kapuze zurück und starrte Rachel verblüfft an. »Die schöne Jüdin?«
Seine Augen verrieten Rachel,
Weitere Kostenlose Bücher