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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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dir aus dem Kopf schlagen!«
    Ruben ben Makkabi warf den Kopf hoch und murmelte eine weitere Beschwörungsformel. Dann wandte er sich an die beiden Mägde. »Bringt sie nach oben und sperrt sie in die Dachkammer. Passt aber auf, dass ihr das alte Gesinde nicht heimlich etwas zum Essen zusteckt.«
    Ohne sie noch eines Blickes zu würdigen, verließ er den Raum. Jiftach blieb zurück und half auch jetzt den beiden Mägden, ihre Gefangene zu bändigen.
    Lea war außer sich vor Wut und hätte nun jede Waffe benützt, um sich zu befreien. Doch ihr spanisches Schwert hatte sie bei Orlando zurückgelassen, und der Dolch steckte in ihrem Gepäck. Auch fiel es ihr immer noch schwer, Menschen ihres eigenen Glaubens wehzutun, und so besann sie sich zu spät auf die Tricks, die Orlando ihr beigebracht hatte. Als sie sich beinahe schon befreit hatte, packte Jiftach ihre Füße und verdrehte ihren Körper so schmerzhaft, dass sie sich die Treppe hochschleppen lassen musste wie ein Schaf, das geschachtet werden soll. Die drei warfen sie in einer Dachkammer zu Boden, rannten hinaus, als wäre der Teufel selbst hinter ihnen her, und schlossen die Tür von außen, ehe Lea sich aufgerichtet hatte. Sie hörte, wie der Riegel mit einem Ruck vorgeschoben wurde, und kam sich vor wie ein gefährliches wildes Tier, das man in einen Käfig gesteckt hatte.
    »In der Kammer liegt ein Gewand, das einer Frau geziemt«, rief Jiftach noch ganz außer Atem durch die Tür. »Zieh dich um, Weib, sonst werden die Mägde dich dazu zwingen.«
    Sollen sie doch kommen, dachte Lea wütend. Noch einmal würde sie sich nicht überraschen und wie ein Schlachttier behandeln lassen. Sie stand auf und sah sich nach etwas um, das sie als Waffe benutzen konnte. Doch außer einer dünnen Decke, die auf dem Boden zusammengefaltet lag und ihr wahrscheinlich als Lager dienen sollte, und ein paar ihr unbekannter Kleidungsstücke gab es keinen anderen Gegenstand im Zimmer, noch nicht einmal einen Krug mit Wasser oder einen Topf, in den sie ihre Notdurft verrichten konnte. Sie hob nacheinander das Leinenhemd, die Bluse, den Rock und die Schürze auf, die aus gutem Stoff gefertigt waren und zusammen die Tracht bildeten, die wohlhabende Jüdinnen in den großen Städten trugen, schleuderte sie in eine Ecke und setzte sich dann auf die Decke, um ihre innere Ruhe zurückzugewinnen und einen klaren Kopf zu bekommen.
    Sie hatte sich auf alle möglichen Katastrophen vorbereitet, die von außen auf ihre Familie hätten niederstürzen können, doch sie hatte nicht damit gerechnet, in ihrem eigenen Haus Glaubensgenossen vorzufinden, die sie wie ein widerspenstiges Kind behandelten und kurzerhand einsperrten, Sie war sich nicht sicher, ob sie ohne Hilfe wieder aus diesem Loch herauskam, und überlegte, wem an ihrer Freiheit gelegen sein könnte. Rachel schied aus, nicht nur, weil sie nicht mehr im Haus wohnte, sondern weil Ruben ben Makkabi genau das tat, was sie sich immer gewünscht hatte, nämlich sie, Lea, auf den Platz zu verweisen, auf den sie in ihren Augen gehörte. Sarah wurde, wie sie einer Bemerkung hatte entnehmen können, von den anderen Mägden überwacht, also konnte sie nur hoffen, dass Jochanan und Ketura einen Weg fanden, sie zu befreien.
    Darauf durfte sie sich jedoch nicht verlassen, denn Sarahs Kinder waren gewiss guten Willens, aber List war nicht ihre Stärke, und sie ließen sich viel zu leicht einschüchtern. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als sich selbst zu helfen. Ruben ben Makkabi würde alles tun, um ihren Willen zu brechen, und sie musste sich etwas einfallen lassen, wie sie ihn überlisten konnte. Aber ihr Kopf war wie leer gefegt. Lea empfand auf einmal das Lächerliche ihrer Situation und lachte bitter auf. Man hatte sie, die einen so mächtigen Mann wie den Herzog von Montoya übertölpeln hatte können, im eigenen Haus eingesperrt wie ein kleines Mädchen, das sich am Kuchen für den Sabbat vergriffen hatte.
    Unwillkürlich musste sie daran denken, mit welch harschen Worten sie Orlandos Angebot, sie nach Hause zu begleiten, abgelehnt hatte. Jetzt sehnte sie sich nach seinem Zuspruch, selbst wenn er nur aus spöttischen Bemerkungen bestanden hätte. Eine Welle der Verzweiflung schwappte über sie hinweg, nahm all das Selbstbewusstsein mit sich, das sie in den letzten Jahren erworben hatte, und verwandelte sie in ein heulendes Bündel Elend.

3.
    Es war so still im Haus, als würde das Leben darin den Atem anhalten, aus Furcht vor dem, was die

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