Die Goldhaendlerin
Ihr sorgsam gehütetes Geheimnis war aufgedeckt, und Eliesers schuldbewusste Miene zeigte ihr, dass er sie verraten hatte. Er schien die in ihr aufwallende Wut zu spüren und hob die Hände, als müsse er sich vor einem Schlag schützen.
»Du bist so lange weggeblieben, dass wir angenommen haben, du seiest unterwegs verunglückt. Da wusste ich mir nicht anders zu helfen und habe mich an den Rabbi gewandt.«
Eliesers Stimme klang jämmerlich und verriet gleichzeitig, dass er log. Lea sah Gomer hinter ihm vorbeihuschen und für einen Moment mit einem verängstigten Gesicht in den Raum starren. Nun verstand sie ohne weitere Erklärungen, was passiert war. Ruben ben Makkabi hatte mit Hilfe des mitgebrachten Gesindes die Herrschaft über ihr Haus ergriffen und war nicht bereit, sie wieder herzugeben.
Das bestätigten die nächsten Worte des Rabbis. »Du wirst dieses anstößige Gewand auf der Stelle ablegen und dich kleiden, wie es einer Frau geziemt. Danach wirst du mir alles erklären, was in den Briefen steht, denn vieles ist so verschlüsselt, dass selbst ich es nicht entziffern kann, und natürlich wirst du mir auch die Truhe öffnen und mir deine Geschäftspapiere übergeben.«
Lea verschränkte die Arme. »Darauf kannst du lange warten!«
»Ich sehe schon, es steht genauso schlimm um dich, wie ich befürchtet habe. In deinem Körper, Lea, sitzt ein Dämon, der dich aufsässig macht, deinen Verstand verzerrt und deine Familie beinahe in den Untergang getrieben hätte. Dieser böse Geist war es, der Rachel zur Hure gemacht und Elieser seine Rechte geraubt hat, so dass der arme Junge wie ein kleines Kind im Haus festgehalten wurde und keine Talmudschule besuchen durfte, wie es sich für jeden frommen Aschkenasi geziemt. Aber keine Sorge, ich werde dir den Teufel austreiben und dich in ein gehorsames Weib verwandeln.«
Lea verstand nur eines: Rachel musste etwas zugestoßen sein.
»Was ist mit meiner Schwester?«
»Frag doch nicht so dumm. Du warst doch selbst dafür, dass sie die Mätresse des Markgrafen wird.« Eliesers Stimme zitterte so, dass er stotterte.
Diese Lüge verschlug Lea die Sprache, und ihr wurde so übel, dass sie glaubte, ihr Inneres wolle sich nach außen kehren. Sie sollte Rachel einem Mann in die Arme getrieben haben, für den eine Frau nicht mehr war als eine Öffnung, in der er seinen Geschlechtstrieb abreagieren konnte? Das war absurd. Seit dem Pogrom von Sarningen hasste Rachel Christen mehr als alles andere auf der Welt. Nie, niemals, davon war Lea fest überzeugt, hatte ihre Schwester sich diesem Mann freiwillig hingegeben. Sie konnte noch nicht einmal vermuten, was wirklich geschehen war, und sah auf einmal alle Ängste bestätigt, die sie seit langem gehegt hatte. Mehr als sonst bereute sie, Hartenburg damals, als der Markgraf seine ersten, unverschämten Forderungen gestellt hatte, nicht verlassen zu haben. Es wäre wirklich besser gewesen, sie hätten von den Almosen anderer Juden gelebt, als erfahren zu müssen, dass die arme Rachel durch den Markgrafen in Schande geraten war.
Ruben ben Makkabi schien Leas Schreckensstarre und ihre Ratlosigkeit für Unterwerfung unter das von ihm bestimmte Schicksal zu halten, denn er sprach eine kurze Beschwörungsformel und legte seine Hand auf Leas Stirn. »Weiche aus diesem Weib, Dämon, und gehe dorthin, wo du hingehörst.«
Lea schüttelte sich und trat zurück »Ich bin von keinem Dämon befallen. Den, fürchte ich, hat mein Bruder ins Haus gerufen!«
Als sie sich zu Elieser umdrehen wollte, war dieser verschwunden. Statt seiner kam Jiftach wieder ins Zimmer und warf den Tragsack, den Lea im Hof hatte fallen lassen müssen, in eine Ecke.
Ruben ben Makkabi brachte seine Augen dicht vor die ihren.
»Wirst du mir jetzt gehorchen und mir mitteilen, was ich wissen will?«
Lea wandte sich ab, verschränkte die Arme vor der Brust und antwortete ihm mit einem verächtlichen Auflachen. »Fahr zur Hölle!«
Eine der Mägde spreizte die Finger, als müsse sie sich gegen den bösen Blick schützen. Ruben ben Makkabi aber nickte nur, als sähe er sich bestätigt. »Nun, so werden wir dich mit Hunger gefügig machen müssen und so den Dämon in dir schwächen, damit meine Gebete ihn vertreiben können. Wenn du dann wieder du selbst bist, Weib, wirst du mit Jiftach unter den Traubaldachin treten. Dein Bruder und ich haben bereits den Heiratsvertrag ausgehandelt und unterschrieben.«
»Wie bitte? Ich soll Jiftach heiraten? Oh nein, das kannst du
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