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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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lustig, sondern riefen sofort nach einem Diener. Der Mann eilte so schnell herbei, als hätte er nur auf den Besucher gewartet, blieb dann aber stehen und musterte sie mit zusammengezogenen Augenbrauen, so dass Lea schon Angst bekam, sie sei durchschaut worden. Doch der Diener schien zu dem Schluss zu kommen, dass er tatsächlich Samuel Goldstaub vor sich hatte, und befahl ihr mit einer erleichterten Geste, ihm zu folgen. Statt durch das Gesindehaus führte er sie quer über den Burghof zu einem Besucher minderen Ranges vorbehaltenen Seiteneingang. Dahinter begann eine Treppe, die direkt zu dem langen Korridor mit den Rüstungen an der Wand führte. Diesmal mussten sie nicht so weit gehen wie am Vortag, denn der Diener blieb nach wenigen Schritten vor einem halbrunden, doppelflügeligen Portal stehen und öffnete es ohne anzuklopfen. Dahinter befand sich ein großer, länglicher Saal, an dessen holzgetäfelten Wänden eine Vielzahl von Wappenschildern hing. In der Saalmitte stand eine schier endlos lange Tafel, die wohl für Festmähler gedacht war, jetzt aber im einfallenden Sonnenlicht wie frisch poliert glänzte. Dreißig Stühle säumten den Tisch auf beiden Seiten, und an der einen Stirnseite stand ein mit reichen Schnitzereien verzierter Sessel für den Markgrafen bereit, an der anderen ein etwas schlichterer für die Herrin des Hauses. Lea fragte sich, ob die Gastwirtstochter nun den Ehrenplatz beanspruchte, der eigentlich nur einer Dame von Geblüt zustand. Als ihr Blick dann zu den Fenstern hinüberschweifte, deren Glasfüllungen wie Honig schimmerten, öffnete der Diener eine weitere Tür und winkte sie ungeduldig in das nächste Zimmer. Der Raum war halb so groß wie der Saal, den sie eben durchquert hatte, und nur mit einem weißen Sessel möbliert, dessen Polster dick mit Gold- und Silberfäden bestickt waren und dessen Lehne aus zwei vergoldeten Löwen mit Edelsteinaugen bestand. Beinahe jede Handbreit der Wände war von Teppichen bedeckt, die das Geschlecht derer von Hartenburg bei der Jagd und im Krieg glorifizierten. In dem sanften gelben Licht, das durch die Fensterscheiben fiel, wirkten die Bilder so lebendig, als könnten die Tiere und ihre Jäger jeden Augenblick aus ihnen herauspreschen. Lea war so fasziniert von dem Anblick, dass sie erschrak, als der Diener mit lauter Stimme den Juden Samuel, Sohn des Jakob Goldstaub, ankündete, und bemerkte nun erst den Markgrafen, der ähnlich wie am Vorabend an einem der Fenster stand.
    Ernst Ludwig von Hartenburg war nicht wiederzuerkennen. Sein Gesicht wirkte beherrscht und fast ein wenig steif. Hosen und Hemd waren, soweit Lea erkennen konnte, diesmal sauber, und er trug ein vielfach gefälteltes, grün und weiß geteiltes Wams, das bis über die weiten Ärmel mit goldenen Löwen bestickt war. Auf seinem Kopf saß ein pelzgesäumtes, grünes Barett, aus dem fünf weiße Reiherfedern ragten.
    Der Markgraf starrte Lea an, als wollte er sie durchbohren, bis sie schon glaubte, er habe ihre Maske durchschaut. Aber als er seine grün behandschuhte Rechte hob, an der ein protziger Siegelring aus Gold und grünem Malachit aufleuchtete, und sie zu sich winkte, verriet seine Miene kein Erkennen.
    »Du bist also Samuel, der Sohn des Juden Jakob.«
    Lea neigte zustimmend den Kopf, wagte aber nicht zu antworten. Die Worte waren auch nicht als Frage gedacht, sondern nur als Einleitung, denn der Markgraf sprach ohne Pause weiter.
    »Dein Vater hat uns gute Dienste geleistet, auf die wir nur ungern verzichten würden.«
    »Erhabener Herr, meine Familie wird sich bemühen, Euch weiterhin so zu dienen, wie mein Vater es tat.« Lea klangen die eigenen Worte hell, ja beinahe schrill in den Ohren, und sie hielt vor Schreck den Atem an. An ihrer Stimme musste man sie als Mädchen erkennen.
    »Es sollte mehr als nur bloßes Bemühen sein«, antwortete ihr eine andere Stimme grimmig. Sie gehörte dem Sekretär des Markgrafen, der lautlos eingetreten war, sich nun mit verschränkten Armen neben seinen Herrn stellte und den Juden vor sich wie einen ekligen Wurm betrachtete.
    Lea begriff, dass jetzt alles von ihrer Antwort abhing. Sie verbeugte sich noch einmal tief und antwortete dem Sekretär, ohne ihren Blick von dem Markgrafen zu lösen. »Ich werde die Pflichten meines Vaters übernehmen und sie so gut erfüllen, wie es Seine Durchlaucht gewohnt ist. Die Handelsbeziehungen meiner Familie haben durch das Unglück in Sarningen nicht gelitten, im Gegenteil, das Schicksal meines

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