Die Goldhaendlerin
überschwänglichen Dank für die Rettung erwartet, aber wenigstens ein paar nette Worte. Dieses Mädchen von gerade mal neunzehn Jahren tat jedoch so, als wäre er an ihrem Unglück schuld und nannte ihn zum Dank auch noch einen Dieb.
»Mein lieber beschnittener Freund«, begann er mit sanfter Stimme. »Ich habe dich mitnichten bestohlen, sondern nur eine größere Summe von dir geborgt. Ich habe nämlich die Gelegenheit zu einem viel versprechenden Geschäft, das ich sonst hätte ausschlagen müssen. Dank deines Goldes bin ich jetzt in der Lage, mich an einem größeren Unternehmen zu beteiligen. Sieh dich als mein Geschäftspartner an, denn ich werde dir die ausgeliehene Summe auf den Heller genau zurückzahlen und den Profit brüderlich mit dir teilen.« Orlando schnurrte fast vor Vergnügen, während Leas Miene immer eisiger wurde.
»Wollt Ihr mich noch weiter verspotten? Ihr seid nicht nur ein Dieb, sondern auch ein elender Lügner! Geht! Macht, dass Ihr fortkommt, bevor ich meine Beherrschung verliere. Ich bete zu dem Gott meiner Väter, Euch nie mehr begegnen zu müssen.«
»Das ist ein harsches Lebewohl, mein beschnittener Freund, aber ich gebe mich jetzt damit zufrieden.«
Orlando drehte sich um und kehrte in die Herberge zurück. Er musste an sich halten, um unterwegs nicht lauthals zu lachen. Wüsste Lea, dass er ebenfalls zu Ruben ben Makkabi unterwegs war, würde sie an ihrem eigenen Gift ersticken.
Als er am nächsten Morgen aufstand, schliefen die meisten Reisenden noch ihren Rausch aus. Vom Wirt erfuhr er, dass die beiden Juden bereits vor Anbruch der Dämmerung aufgebrochen waren, während der Mönch kurz nach Sonnenaufgang die Herberge in die andere Richtung verlassen hatte.
»Den Wein, den Ihr gestern für alle bestellt habt, braucht Ihr nicht zu bezahlen«, setzte der Wirt mit unglücklichem Gesicht hinzu. »Ich bin ja froh, dass alles so glimpflich abgegangen ist, denn andernfalls hätte ich ganz bestimmt Schwierigkeiten mit der Obrigkeit bekommen.«
Orlando klopfte dem Mann lächelnd auf die Schulter. »Hab keine Sorge um deinen Verdienst, mein Freund. Ich habe gestern Abend mit dem Juden gesprochen und fand ihn sehr glücklich, weil ihm nichts geschehen ist. Deswegen hat er mir Geld für dich zurückgelassen, so dass du seinetwegen keinen Verlust erleiden musst.«
Der Wirt sah seinen Gast verwundert an. »Davon hat mir der Jude beim Abschied aber nichts gesagt.«
Orlando hob die Augenbrauen. »Ist das nicht zu verstehen? Er ist zwar nicht reich, doch die paar Münzen in seinem Beutel hätten einige Gäste durchaus veranlassen können, ihm zu folgen und ihn auszurauben.«
»Da habt Ihr freilich Recht«, stimmte der Wirt ihm zu. »Wenn es genehm wäre, so bekäme ich zwanzig Groschen für drei große Kannen meines besten Weins, außerdem noch weitere fünf für Eure eigene Übernachtung und die Zeche.«
Orlando war sich sicher, dass der fette Wirt einen billigeren Wein ausgeschenkt hatte, zählte aber brav die geforderte Summe ab und drückte sie ihm mit einem weiteren Groschen als Trinkgeld in die Hände. »Es stimmt so, mein Guter. Aber nun schickt mir den Knecht mit heißem Wasser in meine Kammer und lasst mein Frühstück richten. Ich will ebenfalls bald aufbrechen.«
Der Wirt verbeugte sich so tief, wie seine Fülle es erlaubte, und watschelte davon, um seine Anweisungen an das Gesinde zu geben.
3.
Zu Leas Erleichterung stellte sich heraus, dass Jochanan weder den Kiefer gebrochen noch mehr als einen Zahn verloren hatte. Die Wunden in Gesicht und Mund hinderten ihn zwar daran, feste Kost zu sich zu nehmen, aber sonst verlief der Rest der Reise ohne weitere Schwierigkeiten. Trotzdem war Lea froh, als sie Augsburg vor sich auftauchen sahen, und wünschte sich, sie befände sich schon in der gewiss trügerischen Sicherheit von Ruben ben Makkabis Heim. Nachdem sie die Torsteuer bezahlt hatte, musste sie sich zwingen, gemessenen Schrittes Richtung Judenviertel zu gehen.
Ihr Gastgeber empfing sie mit sichtlicher Freude und ließ, als er Jochanans geschwollenes, von einer Platzwunde entstelltes Gesicht sah, gleich einen Arzt rufen. Während er den Knecht in die Obhut seines Gesindes gab, führte er Lea in seine beste Stube, die mit kunstvoll gewebten Teppichen aus feinster Wolle ausgelegt war und an deren Wänden von kundiger Hand gestickte Bilder von der Sehnsucht nach dem fernen Jerusalem sprachen. Rubens Sohn Jiftach hockte wie eine Kröte auf einem niedrigen Stuhl und rezitierte
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