Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
darauf auf das Gefunkel, in dem sich das Licht seiner Laterne widerspiegelte. Die beiden armselig wirkenden Juden führten Gold im Wert von mehreren tausend Gulden mit sich.
    Jetzt wurde ihm klar, warum die Hartenburger den Hoffaktor ihres Markgrafen Goldstaub nannten. Selten hatte ein Jude einen Beinamen mit mehr Berechtigung getragen als dieser Samuel, der eine Lea war. Orlando wollte die beiden Beutel schon wieder verschließen, als ihm einfiel, das hier eine Chance für ihn lag, ein Geschäft abzuschließen, mit dem er guten Gewinn erwirtschaften und gleichzeitig einem seiner Schützlinge wieder auf die Beine helfen konnte. Kurz entschlossen nahm er ein Tuch aus Leas Gepäck, breitete es auf dem Bett aus und schüttete die Hälfte des Goldstaubs und der Körner hinein. Die um einiges leichter gewordenen Beutel verschloss er mit denselben kunstvollen Knoten und schob sie wieder in den Kasten. Dann knotete er die Enden des mit Gold gefüllten Tuches zusammen, damit nichts von dem wertvollen Inhalt verloren gehen konnte, und wog es mit einem anerkennenden Lächeln in der Hand. Während er die Beute in seine Kammer trug, überschlug er deren Wert. Er schätzte den Anteil, den er sich genommen hatte, auf eintausend bis eintausendzweihundert Gulden. So viel war die zugige, halb zerfallene Burg nicht wert, in der Ritter Ochsenmaul hausen mochte. Es war gut, dass weder der Mönch noch der Ritter etwas von diesem Schatz geahnt hatten, denn sonst hätte selbst ein Engel des Herrn Lea und ihren Knecht nicht vor dem Feuertod bewahren können.
    Nachdem Orlando das Gold in seinem Zimmer versteckt hatte, machte er sich auf die Suche nach der jungen Jüdin und fand sie schließlich an einem Bach unweit der Herberge. Leas Gesicht schimmerte im hellen Mondlicht grünlich. Wie es aussah, hatte sie sich den Finger in den Mund gesteckt, um den Magen zu entleeren, und schien sich kaum noch aufrecht halten zu können. Dennoch kümmerte sie sich um ihren verletzten Knecht und reinigte ihm gerade das blutverschmierte Gesicht. Als Orlandos Schatten über sie fiel, hob sie den Kopf und funkelte ihn hasserfüllt an. »Habt Ihr uns noch nicht genug gequält?
    Wollt Ihr Euch noch weiter an unserem Elend weiden?«
    »Elend?« Orlando dehnte dieses Wort genüsslich. »Mein beschnittener Freund, du solltest frohlocken, dass du überhaupt noch kotzen kannst. Außerdem wäre ein wenig Dankbarkeit mir gegenüber angebracht. Schließlich habe ich dir das Leben gerettet. Oder hast du vergessen, dass man für dich und deinen Knecht den Scheiterhaufen errichten wollte? Ihr dürftet die ersten Juden sein, die dem ehrwürdigen Bruder Medardus Holzinger entkommen sind, und seid versichert, seine Freude darüber hält sich in Grenzen. Daher gebe ich euch beiden den Rat, so rasch wie möglich von hier zu verschwinden. Wenn die Leute morgen mit schweren Köpfen aufwachen, könnten sie für seine Einflüsterungen empfänglich sein und versuchen, ihre Kopfschmerzen durch den Geruch eines gerösteten Juden zu vertreiben.«
    Lea erhob sich, um nicht weiter zu Orlando aufsehen zu müssen. »Ihr seid ja sehr besorgt um mich und meinen Knecht. Erwartet Ihr vielleicht noch eine Belohnung dafür?«
    »Die habe ich mir bereits genommen«, antwortete Orlando grinsend. »So geschwächt, wie ihr seid, wärt ihr beide sowieso nicht mehr in der Lage, die schweren Packen mit eurem Gold zu tragen.«
    Lea zuckte zusammen und starrte ihr Gegenüber fassungslos an.
    »Ihr habt mir mein Gold gestohlen?«
    Orlando hob abwehrend die Hände. »Gestohlen? Was für ein böses Wort! Nein, ich habe mir etwa die Hälfte davon geborgt. Deswegen bist du immer noch nicht arm, mein beschnittener Freund.«
    »Ich bin weder Euer Freund noch be …« Lea biss sich auf die Zunge, denn sie hätte sich beinahe verraten. Da sie jedoch als männlicher Jude gelten wollte, durfte sie die Beschneidung nicht leugnen. »… noch sehe ich ein, Euch etwas schuldig zu sein! Schließlich habt Ihr Euch heute genug derbe Scherze mit mir geleistet.«
    »Gewiss keinen derberen, als ihn der Mönch für dich plante«, erinnerte Orlando sie.
    »Ihr hattet Euren Spaß und tragt dafür mein Gold mit Euch fort. Das mag Euch genügen.«
    Lea drehte Orlando den Rücken zu und beugte sich wieder zu Jochanan hinab.
    Orlando ärgerte sich schon wieder über dieses sturköpfige Weibsstück. Wäre sie ein vernünftig denkender Mann, hätte sie begriffen, wie knapp sie dem Tod entgangen war. Er hatte ja keinen

Weitere Kostenlose Bücher