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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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vorsichtig, dass sie sich rasch wieder hätte zurückziehen können. Doch drinnen wartete nur Jochanan auf sie. Sein verletztes Gesicht verschwand fast ganz unter einem sauberen Verband, und seine Stimme klang noch undeutlicher als vorher.
    »Ich bin schon fertig, also kannst du jetzt hinein. Die anderen sind bereits in die Synagoge gegangen. Beeil dich, denn das Gebet fängt gleich an.« Er reichte Lea frische Kleidung und stellte sich neben dem Eingang des Schachtbades auf, um sie zu warnen, falls jemand kommen würde.
    Lea schlüpfte aus ihren Kleidern und stieg in das eiskalte Wasser. Obwohl die Zeit drängte, wusch sie sich mit aller Sorgfalt. Samuel durfte nicht in den Ruf kommen, seine Pflichten als getreuer Aschkenasi nachlässig zu erfüllen. Als Jochanan kurze Zeit später warnend hüstelte, schoss sie aus dem Bad, trocknete sich rasch ab und schlüpfte fast gleichzeitig in Hemd und Kaftan. Es war keine Sekunde zu früh, denn beinahe im gleichen Augenblick steckte ihr Gastgeber den Kopf zur Tür herein. Ruben ben Makkabi hatte gehofft, Samuel überraschen zu können, und ärgerte sich sichtlich, dass er seine Gäste zur Synagoge begleitet hatte, anstatt auf seinen Wunschschwiegersohn zu warten.
    Lea schlang ein Tuch um ihre feuchten Haare, warf den Gebetsmantel über und ließ sich von Jochanan helfen, den Gebetsriemen anzulegen. Dann wandte sie sich mit einem freundlichen Lächeln an ihren Gastgeber. »Ich bin bereit.«

5.
    Leider hinderte die Sabbatruhe Ruben ben Makkabi nicht, dem vermeintlichen Samuel die Tugenden seiner Kinder und die wirtschaftlichen Vorteile der doppelten Verbindung wortreich vor Augen zu führen. Während Lea all ihre Phantasie aufwenden musste, um dem Drängen ihres Gastgebers auszuweichen, beneidete sie Roland Fischkopf, der als Christ keine Rücksicht auf den Sabbat zu nehmen brauchte. Am liebsten hätte sie genau wie er Augsburg umgehend verlassen, doch Sitte und Gesetz ihres Volkes hielten sie unerbittlich fest, und sie musste neben ben Makkabis Überredungsversuchen auch noch Jiftachs leeres Geschwätz ertragen. Der Junge wollte einen guten Eindruck auf seinen zukünftigen Schwager machen und gab sich alle Mühe, Rubens geflüsterten Anweisungen zu folgen. Lea schüttelte es bei dem Gedanken, dass ihr Vater sie mit diesem unförmigen Schwachkopf ohne jegliches Einfühlungsvermögen verheiraten hätte wollen. Jetzt konnte sie niemand mehr dazu zwingen, und sie zog es vor, bis zum Ende ihrer Tage ledig zu bleiben und sich später einmal um Rachels und Eliesers Kinder zu kümmern.
    Als sie endlich Abschied nehmen konnte, schärfte Ruben ben Makkabi dem lieben Samuel noch einmal ein, sich seine Vorschläge gut zu überlegen, zumal seine Schwester Lea ja auch nicht jünger würde. Es fiel Lea schwer, seine guten Wünsche ehrlichen Herzens zu erwidern, und sie atmete auf, als die Stadt hinter ihr und Jochanan zurückblieb.
    Sie hatten ein gutes Stück Weg bis nach Hause vor sich und mussten diesmal doppelt wachsam sein, da sie nicht wussten, wohin sich der Judenjäger Medardus Holzinger gewandt hatte. Aber das Glück war ihnen diesmal hold, denn auf dem Rückweg durchquerten sie die zu den österreichischen Besitzungen zählenden Herrschaften Burgau und Ehingen und die württembergischen Städte Münsingen, Herrenberg und Calw, ohne auch nur einmal in Gefahr zu geraten oder Schlimmeres zu erleben als einen Herbergswirt, der sie noch nicht einmal in seinem Hof unter freiem Himmel übernachten lassen wollte. Diese Nacht blieb die einzige, die sie ängstlich zusammengekauert und mit knurrendem Magen im Schutz eines Gebüschs verbringen mussten. Nach einer einsamen Wanderung über die Höhen des Schwarzwalds, auf der ihnen nur einmal ein Sauhirt mit seiner stinkenden Herde begegnete, erreichten sie am Abend des fünfzehnten Tages Hartenburg, und als Lea auf das Tor zuschritt, nahm sie sich vor, die Stadt so bald nicht wieder zu verlassen. Ebenso wie ihr Vater hatte Lea es geschafft, sich das Wohlwollen der einfachen Leute in Hartenburg mit Trinkgeldern und zinsgünstigen Kleinkrediten zu erhalten. Daher behandelten die Wachen sie zwar etwas von oben herab, aber nicht unfreundlich, während die raffgierigen Hofschranzen des Markgrafen alles taten, um ihr das Leben schwer zu machen, und nie mit den Waren zufrieden waren, die sie ihnen aus aller Herren Länder besorgte. Zu ihrem Glück zügelte Ernst Ludwig die Gier seines Gefolges immer wieder, wahrscheinlich, um seine eigenen Einnahmen

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