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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Da ist es besser, auf himmlische Gerechtigkeit zu hoffen.«
    Ruben ben Makkabi bedachte die beiden Männer mit zornigen Blicken. »Samuel hat recht getan. Esra ben Nachum war nach dem Sarninger Pogrom so arm wie eine Kirchenmaus, da er den größten Teil seines Vermögens in jener Stadt angelegt hatte. Mit dem Kauf der Schuldverschreibungen hat Samuel seinen Oheim unterstützen können, ohne ihm das Gefühl zu geben, ein Bittsteller zu sein.«
    Nun nickten die anwesenden Gäste zustimmend und lobten Samuels Großmut. Jeder von ihnen hatte arme Verwandte, die es zu unterstützen galt, oder Freunde, die aus ihren Städten vertrieben worden waren und dabei alles verloren hatten. Daher drehte sich das Gespräch für eine Weile um die immer wieder aufflackernden Judenverfolgungen.
    Allmählich wurde es draußen dunkel. Hannah hatte längst die Öllampen angezündet und kam nun herein, um die leeren Weinkrüge zu holen. Es war offensichtlich, dass sie alles tat, um in Samuels Augen als fleißiges und gleichzeitig zurückhaltendes Mädchen zu erscheinen. Doch welchen Eindruck sie wirklich auf Samuel Goldstaub machte, ließ Lea sich nicht anmerken.
    Orlando hatte nicht übel Lust, sein Opfer noch ein wenig zu necken. Die fortgeschrittene Stunde ließ ihn jedoch davon absehen, denn er hatte sich ein Zimmer im »Weißen Schwan« in der Kreuzgasse gemietet und dort auch sein Abendessen bestellt. Er erhob sich und wollte sich von seinem Gastgeber und dessen Gästen verabschieden, als Ruben ben Makkabi auf einen dunkelblauen Wandteppich wies, der in goldenen hebräischen Zeichen die Aufschrift »Unsere Heimat Jerusalem« trug.
    »Es ist Zeit zum Sabbatgebet, meine Brüder. Lasst uns unseren Gast Lebewohl sagen und dann gemeinsam in die Mikwe gehen, um die Mühen des Alltags von unseren Leibern zu waschen.«
    Seine Worte trafen Lea wie ein Keulenschlag. Bis jetzt war es ihr stets gelungen, der gemeinsamen rituellen Reinigung im Schachtbad zu entgehen, indem sie erst nach dem Sabbat oder den großen Festtagen bei ihren Gastgebern erschien. Ausreden fanden sich genug, denn die Straßen waren unsicher oder aus verschiedensten Gründen unpassierbar. In ihrem Ärger über Roland Fischkopfs dreisten Diebstahl und mehr noch durch den Schock, dem Judenschlächter Medardus Holzinger nur mit knapper Not entronnen zu sein, hatte sie nicht auf die Zeit geachtet und war zu früh aufgetaucht. Wenn sie sich jetzt weigerte, mit den Männern ins Bad zu steigen, würde man sie für alle Zeit verachten und sich vielleicht sogar weigern, weiterhin Geschäfte mit ihr zu machen. Das wäre das Ende von Samuels erfolgreicher Karriere, und über kurz oder lang würde sie auch ihre Stellung als markgräflicher Schutzjude und Hoffaktor verlieren.
    Orlando war gerade dabei, Simeon ben Asser den Namen und die Adresse seines Antwerpener Gewährsmannes zu diktieren. Während sein Gegenüber alles aufschrieb, wanderte sein Blick verstohlen zu Lea hinüber. Er war gespannt, was sie jetzt tun würde. Da Samuel als gläubiger Jude galt, konnte sie die Aufforderung zum rituellen Reinigungsbad kaum ablehnen. War sie findig genug, sich auch aus dieser Klemme zu winden, oder würde sie es darauf ankommen lassen und versuchen, ihr wahres Geschlecht im dämmrigen Licht der Öllampen zu verbergen?
    Kaleb ben Manoach beobachtete Leas Mienenspiel. »Unserem Freund Samuel scheint es peinlich zu sein, uns sehen zu lassen, was die Messer der Christen mit ihm angestellt haben.«
    Ruben ben Makkabi legte den Arm um Leas Schulter. »Hab keine Sorge, Samuel. Du bist doch unter Freunden. Hier wird dich keiner verspotten.« Seinem Gesicht war jedoch deutlich anzusehen, dass er es kaum erwarten konnte, Klarheit über Samuels Ehefähigkeit zu erlangen.
    Orlando bedauerte es beinahe, bei diesem Spaß nicht dabei sein zu können. Er sah, wie Lea zum Sprechen ansetzte, aber kein Wort herausbrachte. Ihr Gesicht wirkte ebenso verzweifelt wie kämpferisch. Ihm imponierte ihre Haltung, und in einer plötzlichen Eingebung hob er die Hand.
    »Ich bedauere es, euch unseren Freund Samuel noch eine Weile entführen zu müssen, doch ich muss noch ein paar wichtige Dinge mit ihm besprechen. Da ich noch eine andere Verabredung an diesem Abend habe und Augsburg morgen in aller Frühe verlassen muss, duldet die Sache keinen Aufschub.« Erst als ihm die Worte über die Lippen gekommen waren, begriff er, dass er schon wieder dabei war, Lea aus einer üblen Patsche zu helfen.
    Der Hausherr schnaubte

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