Die Goldhaendlerin
nicht zu schmälern, verlangte dafür aber untertänigste Dankbarkeit in Worten, Gesten und zusätzlichen Geschenken.
Bei dem Gedanken an ihren Landesherrn wünschte Lea sich zum wiederholten Male, genügend Geld zu besitzen, um sich in den Schutz einer freien Reichsstadt einkaufen, dort Grund pachten und ein Haus errichten zu können. Doch als sie nun durch die Straßen ging, war sie wiederum froh, hier leben zu dürfen. Anders als in den meisten Städten, in denen auch die einheimischen Juden geringschätzig und abweisend behandelt wurden und in denen ihnen beim geringsten Zwischenfall böse Schimpfworte nachflogen, riefen die Einheimischen ihr Grüße zu, die Lea freundlich erwiderte, und einige Nachbarn blieben stehen, um sich nach dem Wohlergehen ihres jüngeren Bruders zu erkundigen oder zu fragen, was es Neues im Reich gab. So benötigte Lea auch diesmal länger für den Weg durch die Stadt, als es notwendig gewesen wäre. Mit dem Gefühl, in die heimische Geborgenheit zurückgekehrt zu sein, erreichte sie schließlich ihr Haus. Es war, als hätte Sarah schon nach ihr Ausschau gehalten, denn sie öffnete ihr persönlich das Tor. Das Gesicht der Wirtschafterin wirkte jedoch eher verkniffen als erfreut. Lea erschrak. »Ist etwas passiert?«
»Nichts, was man zwischen Tür und Angel berichten kann.«
Die knappe Antwort verriet Lea, dass die treue Alte vorhatte, sie im Lauf des Abends mit einem Haufen Klagen zu überschütten. Das war nicht gerade das, was Lea sich für den Tag ihrer Rückkehr gewünscht hätte, und als ihre Schwester hinter Sarah auftauchte, hoffte sie für einen Augenblick, wenigstens von ihr freundlich und unbeschwert empfangen zu werden. Rachel war in den letzten drei Jahren von einem hübschen Mädchen zu einer wunderschönen Frau erblüht und glich nun dem Bild, das ihr Volk sich von Bathseba machte, um deretwillen König David beinahe von Gott verworfen worden wäre. Schöner als Rachel konnte auch Urias Weib nicht gewesen sein. Lea war stolz auf das Aussehen ihrer Schwester, auch wenn es Sarah und ihr mehr und mehr Mühe machte, die jungen Männer von ihrer Schwelle fern zu halten, denn es handelte sich bei den Bewerbern ausnahmslos um Christen. Die meisten von ihnen hatten ehrliche Absichten, denn sie sagten offen, dass sie Rachel in den Schoß der heiligen römischen Kirche führen und sie nach christlichem Ritus zur Frau nehmen wollten. Lea vermutete, dass nicht nur Rachels Schönheit das rege Interesse an ihr hervorrief, sondern auch die Hoffnung auf eine reiche Mitgift. Es gab Leute im Reich, die von konvertierten Juden abstammten und es nicht nur zu erklecklichem Wohlstand, sondern auch zu hohem Ansehen gebracht hatten. Gold deckte in den Augen der wohlhabenden Bürger beinahe jeden anderen Makel zu und öffnete die meisten Türen, ja sogar die zum christlichen Himmelreich. Mit Geld und noch mehr Geld hätte Lea sich von dem Markgrafen Ernst Ludwig beinahe jedes Privileg erwerben können, aber sie hielt sich zurück, um den Appetit des Landesherrn nicht unnötig zu reizen.
Schon mit einer Hand voll Hartenburger Zwölfergulden hätte sie sich zum Beispiel das Recht erkaufen können, einen oder zwei weitere jüdische Knechte nach Hartenburg zu holen, denn in ihrem Haushalt gab es mit Jochanan nur einen arbeitsfähigen Mann, und den benötigte sie als Reisebegleiter. Jetzt übernahm Ketura einen Teil seiner Arbeit, und wenn Jochanan nach Hause kam, konnte er sich nicht erholen, sondern musste all das erledigen, was liegen geblieben war.
Lea war sich bewusst, dass nicht nur die Geldgier des Markgrafen sie davon abhielt, sich weitere Knechte zu besorgen, sondern mehr noch ihre Abneigung, fremde Menschen in ihr Doppelleben einzuweihen. Christliche Tagelöhner, die man nach getaner Arbeit hätte nach Hause schicken können, gab es mehr als genug, und die meisten von ihnen wären gerne in Samuel Goldstaubs Dienste getreten, um von seiner Großzügigkeit zu profitieren, aber die Kirche verbot es ihren Gläubigen, für einen Juden zu arbeiten.
Während Leas Gedanken bereits wieder um die Probleme kreisten, die hier auf sie warteten, starrte Rachel sie naserümpfend an und wies auf ihr von der Sonne gebräuntes Gesicht. »Wie siehst du denn schon wieder aus?«
Leas Blick glitt über Rachels Alabasterhaut, um die ein Engel sie hätte beneiden können, und seufzte. Sie war Frau genug, um sich über Rachels Kritik zu ärgern, gleichzeitig aber fühlte sie sich als große Schwester, die der
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