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Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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die Übelkeit wieder?«
    Cristin sank schwer auf einen der Stühle, die für Kunden vorgesehen waren. Da sie allein waren, band sie ihre Haube ab und löste den Zopf. Sie nickte. »Ich war auf dem Köpfelberg. Sie … sie haben dort einen …«, brach sie ab.
    Seine Stirn umwölkte sich, sein Blick wurde düster. »Du warst an der Richtstätte?«
    Cristin senkte den Kopf. »Ein Junge wurde getötet, Lukas. Zwischen Wagenrädern zermalmt. Er soll Kirchendiebstahl begangen haben.« Sie erhob sich, trat ans Fenster und betrachtete den hübschen kleinen Kräutergarten, den sie vergangenes Jahr im Hinterhof angelegt hatte. »Es war furchtbar.«
    »Schickt es sich für das Weib eines anständigen und angesehenen Geschäftsmannes, einer Hinrichtung beizuwohnen? Hast du es nötig, dich zu diesen Gaffern zu gesellen? Lukas Bremers Frau hat dort nichts zu suchen!« Sie drehte sich um. Lukas’ Miene war ernst, während seine blauen Augen über ihre schlanke Gestalt wanderten. »Noch dazu in deinem Zustand.«
    Cristin zuckte unter seinem Tonfall zusammen. »Sei nicht böse, Lieber.«
    Sie ließ sich wieder auf den Stuhl sinken und schaute zu ihrem hochgewachsenen Mann auf, der in seinem taillierten Wams über dem bestickten Hemd und den engen Hosen ausgesprochen gut aussah. Seine dunkelbraunen Haare waren noch immer voll. Doch am meisten liebte sie sein Lächeln, wenn sich die vielen Fältchen um seine Augen vertieften.
    »Sie haben ihm jeden Knochen einzeln gebrochen. Wie der Arme geschrien hat! Das ist einfach nicht recht!« Cristin erhob sich erregt. »Fünfzehn Lenze, kaum mehr, Lukas! Bestimmt konnte der Junge die Folgen dieses Diebstahls gar nicht ermessen. Wer fragt danach, warum er das getan hat?« Sie trat auf ihren Mann zu. »Vielleicht hat er einen Kerzenleuchter vom Marienaltar gestohlen, in der Hoffnung, davon Medizin für einen kranken Verwandten kaufen zu können?«
    »Schweig, Frau!«, fiel er ihr ins Wort. »Es steht dir nicht zu, die Handlungsweise unserer Richteherren zu kritisieren! Zügle deine Zunge! Wenn dich jemand reden hört, stehst du bald am Pranger!«
    Sie stemmte die Hände in die Hüften. »Du kannst erwarten, dass ich mich außerhalb unseres Heimes zurückhalte. Niemals würde ich dir in Gegenwart anderer widersprechen. Aber hier, in unseren eigenen vier Wänden, lasse ich mir nicht den Mund verbieten!«
    Lukas Bremer schüttelte den Kopf. Ein feines Lächeln umspielte jetzt die schmalen Lippen. »Darum geht es nicht, Cristin. Ich möchte einfach nicht, dass dich dein vorlautes Mundwerk irgendwann einmal in Schwierigkeiten bringt!« Vermutlich war seine Frau einfach noch zu jung, um zu verstehen, wie gefährlich ihr Verhalten werden konnte. Und er liebte sie viel zu sehr, um ihr jemals ernsthaft böse sein zu können. »Ich weiß, dass du dir nicht den Mund verbieten lässt. Doch denke bitte daran, in einigen Monaten trägst du die Verantwortung für unser Kind. Vergiss das nicht!«
    Mit ausgestreckten Armen ging Lukas auf sie zu und zog sie an sich. »Geh nie wieder zum Köpfelberg. Dieser Ort ist nichts für dich. Versprichst du mir das?« Cristin lehnte ihren Kopf an seine Brust und genoss die Vertrautheit des Augenblicks. Voller Zuneigung blickte sie zu ihm auf. Ihre Eltern hatten mit Lukas eine gute Wahl getroffen. Sie konnte sich glücklich schätzen, einen Ehemann bekommen zu haben, der sie aufrichtig liebte. Cristin wusste, dass es mittlerweile in der Stadt möglich war, den Ehemann selbst zu wählen. Doch obwohl sie Lukas vorher kaum gekannt hatte, hatte sie auf den weisen Ratschlag der Eltern vertraut und in die Ehe eingewilligt. Und sie war glücklich mit ihm. Johann und Gesche Weber waren bereits vor einiger Zeit verstorben. Sie waren schon älter gewesen, als Cristin geboren worden war. Wenn sie später danach gefragt hatte, warum sie keine Geschwister bekam, hatte ihre Mutter stets erklärt, Gott hätte es so gewollt, dass sie ihr einziges Kind blieb. Auch jetzt noch vermisste sie ihre weisen und liebevollen Eltern. Doch nun hatte sie Lukas.
    Sie strich ihm über die hohe Stirn, woraufhin er lächelte und sich zu ihr herunterbeugte. Ihre Lippen trafen sich zu einem zärtlichen Kuss. In diesem Moment hörte Cristin eine fremde Stimme in der Werkstatt. »Bis später, Lukas. Wir haben Kundschaft.«
    Eilig zog sie die Tür hinter sich ins Schloss und legte die wenigen Schritte bis zur Goldspinnerei zurück. Ein gut gekleideter, untersetzter Mann, dessen schulterlange Haare sich bereits

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