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Die Gordum-Verschwörung

Die Gordum-Verschwörung

Titel: Die Gordum-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Flessner
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wohl kaum ihren Untergang beschlossen haben.“
    „Und doch ist es so!“, versicherte Woltke mit wissender Miene. „Sie glauben mir nicht? Passen Sie auf. Ich werde Ihnen etwas zeigen.“
    Sie huschte erneut aus dem Museums-Wohnzimmer und kam diesmal mit einem Leitzordner zurück, aus dem sie eine Fotokopie heraussuchte.
    „Ein Artikel von Dr. Arend Lang aus dem Jahr 1951 über den Untergang der Insel Bant. Er zitiert, ohne Nennung des Autors, dreimal dürfen Sie raten warum, ein Seglerhandbuch aus dem Jahr 1613. Hier, sehen Sie, es ist nur noch ein einziges Exemplar bekannt, das sich heute in Den Haag befindet. Lesen Sie.“
    Greven las laut: „Zwischen der Oster- und Westerems liegt ein Gat, genannt Westerbalje. Dieses wurde bisher niemals beschrieben. Es handelt sich hier um ein Fahrwasser für jene Schiffe, die zur Osterems und von dort aus weiter westlich segeln wollen. Diese müssen wissen, dass dort an der Ostseite ein Eiland liegt, De Bant geheißen. Auf dieser Insel hat der ehrbare Rat der Stadt Emden zwei Kapen errichten lassen. Wenn man diese Seezeichen zur Deckung bringt, so findet man in der Osterems eine Tonne zur Kennzeichnung der Westerbalje.“
    „Und? Was sagen Sie?“
    „Dann hat ja Bant …“
    „Richtig. Nachdem der Salzabbau auf der Insel im 17. Jahrhundert völlig zum Erliegen gekommen war, weil der langsam steigende Meeresspiegel Bant immer mehr zusetzte, hat sich die Stadt Emden die Insel gesichert. Und zwar, um sie nicht zu sichern. Um sie sang- und klanglos in der Nordsee verschwinden zu lassen.“
    „Wie?“
    „Bant war aus Marschland, also eine Art Hallig. Keine Sandinsel wie die Ostfriesischen Inseln. Ohne Deich war sie der See schutzlos ausgeliefert. Jahr für Jahr wurden bei Begehungen neue Verluste verzeichnet. Im Jahr 1550 war sie noch tausend Hektar groß, 1650 wurden nur noch zweihundertfünfzig Hektar festgestellt. Bei der letzten genauen Vermessung im Jahr 1743, sehen Sie, waren nur noch zehn Hektar vorhanden.“
    „Gab es denn keine Bestrebungen, die Insel einzudeichen?“
    „Natürlich, denn sie hatte durch die Salzgewinnung einen beachtlichen Wert. Mehrfach gab es sogar Auseinandersetzungen um die Nutzungsrechte. Aber irgendwie konnte Emden die Eindeichung immer wieder verhindern. Schließlich ist es der Stadt dann gelungen, sich den Rest der Insel unter den Nagel zu reißen. Angeblich, um diese beiden Seezeichen dort zu errichten. In Wahrheit jedoch, um Bant endgültig untergehen zu lassen. Hier, lesen Sie. 1781 wird sie ein letztes Mal vom Emder Stadtbaumeister Harberts besucht. Ein kleines Eiland, höchstens fünf Hektar groß. Danach ist Schluss. Burchana, Gordum, Bant, alles dahin. Von der See verschluckt. Der Rat der Stadt Emden war zufrieden.“
    Greven überflog noch einmal den Artikel. Seine Zunge begann, sich durch den Mund zu arbeiten. Sie spürte eine vertraute Trockenheit.
    „Ich habe Ihnen ja gar nichts angeboten“, fuhr Thea Woltke plötzlich hoch, „statt dessen bombardiere ich Sie mit alten Landkarten und geheimen Ratsbeschlüssen. Sorry. Wie wär’s mit einer Tasse Tee?“
    „Espresso?“
    Wenig später saßen sie in der kleinen Küche des Fischerhauses an einem ebenfalls kleinen Tisch, dessen Baujahr Greven auf etwa 1920 schätzte. Ein schönes Stück, Weichholz, handwerklich hervorragend aufgearbeitet. Auf der Anrichte eines Büfetts mit ungewöhnlicher Formgebung, ebenfalls aus den zwanziger Jahren, baute eine exklusive italienische Espressomaschine neuen Druck auf. Die Bohnen hatte Thea Woltke frisch gemahlen. Greven sackte ins Polster des mit grünem Samt bezogenen Sofas und freute sich auf die zweite Tasse.
    Seine Gastgeberin gab indes weiter Auskunft über ihre Familie, ihr esoterisches Weltbild, ihre Hobbys (Reiten, der Eigenbau keltischer Harfen) und ihre Ängste, die Greven nicht unbegründet fand.
    „Kannten Sie eigentlich eines der Mordopfer?“
    „Weder Jacobs noch Claasen“, antwortete sie, „nur Jacobs’ Laden, an dem bin ich ja oft genug vorbeigelaufen. Aber drin bin ich nie gewesen. Und von Claasen habe ich erst nach dem Mord gehört. In Greetsiel kenne ich sowieso erst eine Handvoll Leute.“
    „Jabbe de Vries, zum Beispiel?“
    „Natürlich. Das ist ja auch etwas anderes. Der ist schon seit einigen Jahren ein guter Kunde. Im Frühjahr habe ich die neue Greetsiel-Broschüre für ihn getextet.“
    „Haben Sie eine Mitgliederliste der Lü van Gordum für mich?“
    „Ist das wirklich notwendig?“
    „Unbedingt.

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