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Die Gordum-Verschwörung

Die Gordum-Verschwörung

Titel: Die Gordum-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Flessner
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Schließlich suche ich einen Mörder.“
    Thea Woltke verließ die Küche und drückte ihm kurz darauf einen Computerausdruck in die Hand. Keine zwanzig Namen befanden sich auf der Liste, die ihm allesamt nichts sagten. Bis auf einen. Gesine Oltmanns. Mitglied der Lü van Gordum seit sechs Wochen.
    „Passen Sie auf sich auf“, riet er ihr beim Abschied und sah noch einmal in die großen, braunen Augen.

14. Kapitel
     
    Das Grau des Watts schimmerte in allen Farben und blieb doch grau. Bleigrau. Mausgrau. Silbergrau. Blaugrau. Flanellgrau. Nur bei Ebbe im Wattenmeer zwischen Ostfriesischen Inseln und Festland war dieses einmalige Grau zu finden, geformt aus kleinsten Partikeln, aus Pflanzenresten, Schlick, Sand, Muschelschalen, aufgewühlten Sedimenten und allem Möglichen, was die See sonst noch zu bieten hatte, professionell ausgeleuchtet von einer Sommersonne, die sich seit Tagen nicht hatte blicken lassen und frisch und erholt wirkte. Nicht einmal der feinste Wolkenschleier hinderte sie daran, die ganze Farbpalette der Hybridzone zwischen Land und See in Szene zu setzen. Doch der eigentliche Drahtzieher dieses endlosen Entscheidungsprozesses, in dem regelmäßig das Land, aber ebenso regelmäßig die See triumphierte, war nicht die Sonne, sondern der Mond, der unsichtbar Regie führte. Greven suchte ihn vergeblich am Himmel. Er blinzelte. Trotz Sonnenbrille. Stiehlt man dem Himmel einen Buchstaben, erhält man einen alten ostfriesischen Vornamen, dachte er.
    Sie zogen an einer Pricke vorüber, einer kleinen Birke, deren Topp man die Zweige gelassen hatte. Sie wies dem alten Ysker den Weg, den er aber auch ohne sie gefunden hätte. Glaubte Greven. Denn der Kapitän kannte das Watt seit seiner Kindheit, kannte die Gezeiten, die Mondphasen, die Strömungen, die Priele, die Fahrwasser, die Winde, den Horizont, an dem sich im Norden die Silhouetten der Inseln abzeichneten und im Süden das Festland, das nur so lange fest war, bis eine Sturmflut eine andere Entscheidung fällte. Das Watt dagegen war immer in Bewegung. Panta rhei. Alles fließt. Nirgends war diese Erkenntnis, die Heraklit zugeschrieben wird, so offensichtlich wie hier. Dabei hat er in Ephesus gelebt, nicht in Ostfriesland. Seine Interpretation der Welt war den Menschen seiner Zeit so schwer verständlich, dass er den Beinamen ‘der Dunkle’ erhielt. Auch das Watt war dunkel. Dunkelgrau, vor allem in den Prielen, aus denen der Mond, der wie das Watt über das gesamte Spektrum der Grautöne verfügte, das Wasser sog. Noch kamen sie in dem breiten Fahrwasser voran, doch bald würden sie das Motorboot zurücklassen und auf die mitgeführten Kreier umsteigen.
    Am Horizont vor ihnen, in südwestlicher Richtung, tauchte die Skyline einer Stadt auf. Sie schien über dem Watt zu schweben, denn die Fundamente der Häuser reichten nicht bis zum grauen Boden. Einen Leuchtturm glaubte Greven zu erkennen, eine Windmühle und einige mehrstöckige Häuser. Eine Stadt in Aspik, in flirrender Luft, ganz aus Licht, schwerelos, denn Norderney lag nördlich von ihnen und hatte dieser ästhetischen Luftspiegelung nur seine Farben und Formen geliehen. An heißen Tagen waren Trugbilder dieser Art im Watt keine Seltenheit. Die Stadt, die südlich am Horizont wuchs, war hingegen keine Fata Morgana, sondern Delfzijl, erkennbar an den hohen Schloten des Kraftwerks. An solchen Tagen brauchte man einen erfahrenen und nüchternen Blick, um der heißen Luft nicht auf den Leim zu gehen.
    „Randzel“, sagte der alte Ysker und wies mit der Hand auf ein Wattgebiet, das zwischen Wester Ems, Oster Ems und Borkum liegt. Hier hatte sich einst vielleicht die Insel Burchana erstreckt. Nicht, dass Greven mit dem erfahrenen Kapitän an diesem traumhaften Samstagmittag aufgebrochen war, um die versunkene Stadt aus dem Watt zu zaubern wie ein Kaninchen aus einem Zylinder. Vielmehr ging es ihm um einen Lokaltermin. Wenigstens einmal wollte er das Objekt der Begierde aufsuchen, sofern dies möglich war. Dafür reichte eine ungefähre Standortbestimmung aus, die der alte Ysker vorgenommen hatte. Wie er gerade auf diesen Fleck gekommen war, hatte er ihm nicht verraten. Dieses Wissen sei altes Schmugglerwissen, geerbt von seinem Großvater. Polizisten wie Greven dürfe dieses Wissen nicht vermittelt werden. „Wenn dien Kort stimmt, denn moot dat hier wäsn.“ Damit hatte Greven sich zufrieden gegeben. Sein Misstrauen Experten gegenüber hatte sich zwar schon oft als begründet erwiesen, doch der

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