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Die Gordum-Verschwörung

Die Gordum-Verschwörung

Titel: Die Gordum-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Flessner
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nichts. Die Sammlung hier stand zum Glück noch bei meinen Eltern. Mir hat’s auf jeden Fall gereicht. Vor vier Wochen bin ich nach Greetsiel gezogen. Das Haus gehört meiner Tante. Hier habe ich Nachbarn, Eichentüren, gute Fenster und Schlösser.“
    „Haben Sie die Einbrüche und Anrufe gemeldet?“
    „Na klar. Was denken Sie denn? Schon alleine wegen der Versicherung. Aber die Ermittlungen der Emder Polizei haben nichts ergeben. Keine Spuren. Keine Fingerabdrücke. Einfach nichts.“
    „Haben Sie einen Verdacht?“
    „Und ob ich den habe. Der Ratsbeschluss von 1362. Habe ich Ihnen doch schon gesagt. Damals ist beschlossen worden, nicht nur Gordum zu vernichten, sondern auch alle Spuren der Stadt zu tilgen. Für alle Zeiten. Dafür sorgt irgendein geheimes Komitee. Seit sechshundertvierzig Jahren.“
    Greven schluckte. „Woher, Frau Woltke, wollen Sie denn das wissen?“
    „Von meinem Großvater. Ich hab’s damals nicht glauben wollen. ‘Wenn du dich für Gordum interessierst, sag’s keinem. Dann lebst du länger’, hat er gesagt. So ein Blödsinn, habe ich gedacht. Aber jetzt, nach den Einbrüchen und den Anrufen, weiß ich, dass er recht hatte. Und wenn ich Ihren Besuch richtig deute, gehen Jacobs und dieser Claasen auch auf das Konto der Emder.“
    „Sie meinen, seit sechshundertvierzig Jahren sorgt eine Art Geheimloge der Stadt Emden dafür, dass der Name Gordum nirgends Erwähnung findet und jeder, der im Watt nach der Stadt sucht, sein Leben riskiert?“
    „So ungefähr läuft das. Da bin ich mir ganz sicher. Wer soll denn sonst die Morde begangen haben? Die sind beide Gordum zu nahe gekommen. Wie auch immer. Da gehe ich jede Wette ein. Wir haben daher beschlossen, unseren Namen zu ändern. Lü van Buise klingt ebenso gut.“
    Greven unternahm eine kurze Wanderung durch das Möglichkeitsfeld, dessen Grenzen Thea Woltke gerade bis weit hinter den Horizont verschoben hatte. „Wenn Ihre These zutrifft“, sagte er grübelnd, „warum kann man dann diese Geschichte von dem Ratsbeschluss bei Himel von Torum nachlesen?“
    „Sie kennen doch das Buch, oder?“
    „Eigentlich nicht. Ich kenne nur den Titel und ein paar Aussagen.“
    „Ach so“, schmunzelte Thea Woltke. „Das Buch heißt nicht ohne Grund Historiae obscurae , es enthält tatsächlich lauter absonderliche Geschichten. Historischen Blödsinn. Nur die Geschichte von Gordum, es ist übrigens die sechzehnte, die stimmt von vorne bis hinten. Das ist der ganze Trick. Eingepackt in blühende Phantasie, stellte sie keine Gefahr dar und entging den Emdern. Im Gegenteil, das Buch kam der Stadt sogar sehr gelegen, denn auf diese Weise waren Zweifelnde leicht davon zu überzeugen, dass alle Gerüchte über Gordum jeder Grundlage entbehrten und nur ein Produkt der Phantasie waren. Wie die anderen Geschichten in dem Buch. Doch wer ein bisschen Latein kann, lässt sich nicht täuschen. Hatten Sie Latein in der Schule?“
    „Großes Latinum, wenn auch mit Ach und Krach.“
    „O.k. Das Buch hat laut Inhaltsverzeichnis dreißig Geschichten. Es sind aber einunddreißig. Die einunddreißigste, die quasi zu viel ist, ist die von Gordum. Alle Geschichten sind in dem damals üblichen Latein geschrieben, einer Art Mönchslatein oder Küchenlatein, das in den Klosterschulen unterrichtet wurde. Ohne Metrik und mit etlichen Fehlern. Nur die Geschichte von Gordum nicht. Sie ist in einem tadellosen Latein verfasst, das so nur in der römischen Antike üblich war. In Hexametern und im Stil von Vellejus von Syrakus. Einwandfrei zu lesen. Ein Autor, der so perfekt Latein beherrschte, war garantiert ein gebildeter Mann. Die anderen, absichtlich schlechten Geschichten hat er nur zur Tarnung geschrieben. Fahren Sie nach Emden und überzeugen Sie sich selbst.“
    „Und Himel von Torum? Was wissen Sie über ihn?“
    „Sorry, aber über den weiß niemand etwas, nicht einmal mein Opa. Aber er hat vermutet, dass er ein enger Freund von Ubbo Emmius war oder sogar Emmius selbst. Als sicher gilt, dass ‘Himel von Torum’ ein Pseudonym ist. Hier ist übrigens eine Reproduktion der ersten Ostfrieslandkarte von Ubbo Emmius von 1599.“ Sie machte zwei Schritte und wies auf eine der gerahmten Karten.
    „Ohne Gordum?“
    „Natürlich. Wie alle Emmiuskarten. Er hat den Ratsbeschluss bestimmt gekannt. Auf seinen späteren Karten, sechs verschiedene sind ja bekannt, macht er sogar einen Kniefall vor der Stadt. Denn statt der Textkartusche hat er sie mit Seitenansichten von

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