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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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so.«
    Amatus Lusitanus war so verblüfft, dass es ihm die Sprache verschlug.
    »Nur eines muss ich wissen«, sagte Cornelius Scheppering. »Könnt Ihr garantieren, dass ich den Eingriff überlebe?« »Ja, sicher, gewiss«, stammelte Amatus. »Vom Standpunkt der Chirurgie aus gesehen, ist keine große Kunst erforderlich. Allerdings ...«
    »Ich frage das nicht um meinetwillen«, schnitt Cornelius Scheppering ihm das Wort ab. »Ich brauche diese Sicherheit nur, weil Gott mir eine große und schwere Mission aufgetragen hat, die ich erfüllen muss, bevor ich in sein ewiges Reich eingehen darf.« Amatus Lusitanus schaute dem Mönch ins Gesicht. Hatte die Krankheit ihm den Verstand geraubt? Die Syphilis zeitigte nicht nur fürchterliche Spuren am Leib ihres Opfers, sondern konnte auch dessen Sinne verwirren, bis hin zur völligen geistigen Umnachtung. Manchmal zeigten sich die Folgen schon kurze Zeit nach der Infektion, manchmal aber erst nach Jahren oder gar Jahrzehnten. War dieser Fall nun eingetreten? Amatus Lusitanus musterte aufmerksam seinen Patienten. Doch Cornelius Scheppering schien keineswegs von Sinnen. Ohne mit der Wimper zu zucken, erwiderte er seinen Blick, mit jener Ruhe und Gewissheit, wie sie nur der Glaube an Gott einem Menschen eingeben konnte.
    »Verlasst sofort mein Haus«, flüsterte Amatus. »Ich bin kein Sauschneider, ich bin Arzt.«
     

24
     
    »Hat die Regentin auch eine Krone?«, fragte Reyna. »Wie der Kaiser?«
    »Ja, sicher«, erwiderte Gracia. »Wie kannst du nur so dumm fragen?«
    »Warum hat sie dann auf dem Bild keine auf?« Reyna war so aufgeregt, dass sie nicht stillsitzen konnte. Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie bei Hofe! Immer wieder sprang sie auf, um das Porträt der Statthalterin an der Wand des Turmzimmers zu betrachten.
    »Setzt sie die Krone vielleicht manchmal ab, weil sie zu schwer ist?«
    »Woher soll ich das wissen? Ich habe noch nie eine aufgehabt.« »Ich hätte auch gern eine Krone. Schließlich heiße ich Reyna -Königin.«
    Gracia fiel es schwer, das Geplapper ihrer Tochter zu ertragen. Sie war selbst so nervös, dass ihr schon übel war, und jede Minute, die sie noch länger tatenlos warten musste, vermehrte ihre Qual. Warum hatte die Regentin sie in den Steen gerufen? Um ihr mitzuteilen, dass man den Prozess gegen Diogo eröffnen würde? Gracia wagte kaum, die Möglichkeit zu Ende zu denken. Oder war die Audienz ein gutes Zeichen? Vielleicht hatte Amatus Lusitanus es ja geschafft, den verfluchten Dominikaner unschädlich zu machen, und die Regentin war bereit, über Diogos Freilassung zu verhandeln. Immerhin hatten zweihundert Kaufleute die Forderung unterschrieben ... Aber warum war auch Reyna geladen?
    »Ein Glück, dass ich den Hofknicks geübt habe. Schau, Mutter, ist es so richtig?«
    Sie sank gerade zu Boden, als plötzlich eine Tür geöffnet wurde. Gracia wollte Reyna an die Hand nehmen. Doch ein Höfling trat zwischen sie.
    »Nein, nur Ihr allein. Eure Tochter bleibt hier.«
    »Man hat uns aber zusammen herbestellt.« »Man wird Eure Tochter später rufen.«
    Als Gracia den Audienzsaal betrat, zuckte sie zusammen. Zwei helle Augen waren auf sie gerichtet, Augen, die sie aus ihren schlimmsten Alpträumen kannte. Dieser eine Blick genügte, um ihre Hoffnung zu zerstören. Amatus Lusitanus hatte sie im Stich gelassen ...
    Wie ein Richter thronte Cornelius Scheppering an der Seite der Regentin, und kaum war das Begrüßungszeremoniell vorüber, nahm er Gracia ins Verhör.
    »Uns wurde berichtet, dass Ihr Euch weigert, vor dem Altar des Herrn niederzuknien. Außerdem legt man Euch zur Last, dass Ihr an katholischen Fastentagen Fleisch verzehrt.« »Habt Ihr mich darum kommen lassen?«, fragte Gracia. »Wegen solcher Kleinigkeiten?«
    »Glaubenssymbole sind keine Kleinigkeiten. In ihnen drückt sich das Größte aus, was Menschen besitzen: ihre Verbundenheit mit Gott.«
    »Der Papst hat meine Familie mit einem schriftlichen Privileg ausgestattet.«
    »Dieses Privileg erlaubt Euch nur, den Gottesdienst zu Hause zu verrichten. Es entbindet Euch keineswegs Eurer Christenpflichten.«
    Gracia wollte widersprechen, doch sie biss sich auf die Zunge. War sie hier, um mit diesem Teufel zu streiten? Diogos Leben stand auf dem Spiel. Bevor sie aber nach ihm fragen konnte, ergriff die Regentin das Wort.
    »Mein Bruder ist sehr erbost über Euch. Euer Beschwerdebrief hat für große Unruhe gesorgt, an der Börse und in der Stadt.« »Die Kaufmannschaft ist nicht minder

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