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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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»Und - wenn ich mich weigere?«, fragte sie schließlich. »Dann nimmt die Gerechtigkeit ihren Lauf.« »Welche Gerechtigkeit?«
    Cornelius Scheppering zeigte zum Fenster. »Werft einen Blick hinaus.«
    Unten im Hof sah Gracia eine geschlossene Kutsche. Davor stand mit dem Rücken zu ihr ein Mann - Diogo! Ihr fiel ein Stein vom Herzen. Soweit sie aus der Ferne erkennen konnte, hatten sie ihn nicht gefoltert - sogar seinen Zobel trug er über den Schultern. Doch ihre Erleichterung währte nur einen Wimpernschlag. Diogo drehte sich gerade zu ihr um, da zogen die Pferde an, und hinter der Kutsche kam ein Richtblock zum Vorschein, an dem ein Henker sein Beil wetzte.
    »Die Firma Mendes schuldet der Regentin den Zoll für achthundert Sack Pfeffer, fünfhundert Ballen Baumwolle und vierhundert Fässer Madeirawein«, sagte Cornelius Scheppering. »Und vergesst nicht Euren Vater. Er sitzt in Haft. Wir können ihm jederzeit den Prozess machen.«
    Noch während er sprach, nahm der Henker Diogo den Pelz ab und band seinen Arm an dem Richtblock fest. Gracia riss das Fenster auf. »Nein!«, schrie sie hinaus. Diogo schaute zu ihr hinauf, und ihre Blicke trafen sich. »Wollt Ihr nicht Vernunft annehmen?«
    Cornelius Scheppering trat zu ihr ans Fenster. Erst jetzt erkannte Gracia in der Kutsche ihre Schwester. Brianda versuchte, den Wagen zu verlassen, aber offenbar hielt jemand sie im Innern fest. Der Henker hatte Diogos Arm inzwischen festgeschnallt.
    »Willigt Ihr endlich ein?«
    »Lasst Ihr Diogo Mendes dann frei?«
    Der Dominikaner nickte.
    Gracia wollte schon zustimmen - da hörte sie vom Hafen das Hornsignal, mit dem die Ankunft eines Schiffes angekündigt wurde. Voller Entsetzen wurde ihr bewusst, dass nicht nur Diogos Leben auf dem Spiel stand.
    »Was ist mit unseren Schiffen?«, fragte sie. »An Bord sind Hunderte von Menschen.«
    »Alle Mitglieder der Besatzung dürfen an Land«, sagte Cornelius Scheppering. »sobald wir uns einig sind.« »Und was passiert mit den anderen?«
    »Ihr meint die jüdischen Flüchtlinge, die Ihr aus Portugal geschmuggelt habt?« Cornelius Scheppering wies mit dem Kinn hinunter in den Hof. »Ich glaube, darüber können wir jetzt nicht verhandeln. Die Zeit drängt.«
    Der Henker hob schon sein Beil und nahm Maß. Diogos Gesicht war unnatürlich weiß. Sein Zobel lag neben ihm im Dreck. In diesem Moment begriff Gracia, was sie im Dunkel ihres Herzens schon lange geahnt und gefürchtet hatte: dass sie Diogo Mendes liebte.
    »Ich bin mit allem einverstanden«, flüsterte sie. »Gelobt sei Jesus Christus!«
    Cornelius Scheppering gab mit der Hand ein Zeichen. Im nächsten Moment legte der Henker sein Beil beiseite und band Diogo los. Ein Soldat gab ihm seinen Pelz und öffnete den Wagenschlag. »Wie Ihr seht, halten wir Wort«, sagte Cornelius Scheppering. Diogo stieg in die Kutsche, und die Pferde trabten an.
     

25
     
    Hatte der Alptraum ein Ende?
    Als Gracia sich vom Fenster wegdrehte, sah sie ihre Tochter, die mit einem Hofknicks vor der Regentin zu Boden sank, während ein Diener hinter ihr die Tür schloss.
    »Wir haben gerade mit Eurer Mutter einen erfreulichen Entschluss gefasst«, sagte Maria und bedeutete ihr aufzustehen. »Ihr werdet in Kürze heiraten.«
    »Ich ... ich soll heiraten?«, stotterte Reyna. »Aber José, mein Cousin, ist doch in Löwen.«
    Gracia nahm ihre Tochter an der Hand. »Wer ist der Bräutigam?«, fragte sie.
    »Jan van der Meulen«, erklärte die Regentin. »Markgraf von Brügge.«
    »Ein tüchtiger Mann und guter Katholik«, fügte Cornelius Scheppering hinzu. »Eure Tochter hat Grund, Euch dankbar zu sein.«
    »Ich will ihn kennenlernen.«
    »Selbstverständlich, sofort.« Der Dominikaner nickte dem Diener zu.
    Die Tür ging auf, und herein kam ein Mann in einem goldenen Anzug.
    »Senhor Aragon?«
    Gracia schaute den Mönch an, doch der schien genauso verblüfft zu sein wie sie selbst.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte die Regentin.
    »Gott hat Jan van der Meulen vor zwei Tagen zu sich gerufen«, erklärte Aragon, der Converso-Kommissar. »Der Markgraf von Brügge ist einem Schlagfluss erlegen. Der Kaiser hat darum mich beauftragt, an seine Stelle zu treten.«
    »Niemals!«, rief Cornelius Scheppering.
    »Es ist der Wille meines Herrschers.« Aragon zog eine Depesche aus dem Ärmel und reichte sie dem Dominikaner. »Hier ist die Bestätigung, von seiner eigenen Hand.« Und an Gracia gewandt, fügte er hinzu: »Im Fall einer Einigung erlaubt der Kaiser

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