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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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der Firma Mendes, ab sofort wieder ihre Geschäfte aufzunehmen.« »Soll ... soll das heißen, dass Ihr ... dass Ihr meine Tochter ... ?« Die Worte zerfielen auf Gracias Lippen. Wie konnte Gott zulassen, was hier geschah? Sie hoffte, der Boden würde sich auftun, um sie und Reyna zu verschlucken. Aber nichts dergleichen geschah. Niemand kam ihr zu Hilfe, auch nicht Cornelius Scheppering, der mit zitternden Händen Aragons Schreiben las. Es gab nur einen Weg, um aus diesem Alptraum herauszufinden: Sie musste sich Klarheit verschaffen.
    Auch wenn sie sich fast erbrechen musste, blickte sie dem Spanier fest ins Gesicht. »Begreife ich richtig?«, fragte sie. »Ihr verlangt meine Tochter zur Frau, als Preis für das Leben meines Schwagers Diogo Mendes und den Fortbestand der Firma?« »Wollt Ihr mich beleidigen?« Aragon gab sich entrüstet. »Ich
liebe
Eure Tochter! Das allein ist mein Beweggrund. Mein Herz habe ich an sie verloren, in derselben Stunde, da ich sie zum ersten Mal ...«
    »Was ist mit den Schiffen im Hafen?«, unterbrach Gracia ihn. »Ihr könnt noch heute mit dem Löschen der Ladung beginnen.« »Und die Menschen an Bord? Was geschieht mit ihnen?« »Gegen ein zinsloses Darlehen von fünfzigtausend Dukaten ist der Kaiser bereit, sie in ein Land ihrer Wahl ziehen zu lassen.« »Was fällt meinem Bruder ein, sich in diese Sache einzumischen?«, rief die Regentin erbost dazwischen. »Ich entscheide, was in meinem Hafen geschieht.«
    »Der Kaiser«, erklärte Aragon, »hat sich um eine Lösung bemüht, die allen Beteiligten zum Vorteil gereicht. Euer Land, Königliche Hoheit, bleibt von den jüdischen Flüchtlingen verschont. Das Haus Mendes bekennt sich zum Christentum und zur Regierung. Und vor allem: Die Geschäfte werden fortgesetzt, zum Wohl der Niederlande und der freien Handelsstadt Antwerpen.« Mit einem Lächeln drehte er sich wieder zu Gracia. »Vorausgesetzt natürlich, Ihr seid bereit, mich als Euren Schwiegersohn zu akzeptieren.«
    Gracia schloss die Augen. Die Vorstellung, dass dieser Mann, der Francisco gefoltert und verstümmelt hatte, ihre Tochter heiraten sollte, war mehr, als sie verkraften konnte. »Mutter«, sagte Reyna, »Senhor Aragon hat dich etwas gefragt.« Gracia hob den Blick. Reyna war vor Aufregung ganz rot im Gesicht.
    »Was ... was geschieht, wenn ich Euch meine Einwilligung nicht gebe?«, fragte Gracia.
    Aragon zuckte die Schultern. »Dann wird Diogo Mendes wieder in Haft genommen, noch bevor er sein Haus erreicht hat. Alle beschlagnahmten Waren und Güter werden konfisziert, die Firma wird aufgelöst, ihr ganzes Vermögen geht in den Besitz der Regierung über.«
    »Und die Menschen auf den Schiffen?«
    »Fragt Bruder Cornelius«, erwiderte Aragon. »Er wird sich ihrer annehmen, mit Gottes gütiger Hilfe.«
    Gracia wusste: Wenn der Mönch über das Schicksal der Flüchtlinge entscheiden würde, wären sie jetzt schon zum Tode verdammt. Also konnte sie nur noch versuchen, Zeit zu gewinnen, in der Hoffnung, dass ihr später ein Ausweg einfiele. Eine andere Wahl gab es nicht.
    »Gut«, sagte sie schließlich. »Ich willige ein. Aber nur unter zwei Bedingungen.«
    »Die da wären?«, fragte Aragon.
    »Erstens: Die Flüchtlinge werden auf den Schiffen mit allem Nötigen versorgt, solange sie im Hafen festsitzen. Sie bekommen frisches Trinkwasser und ausreichend Nahrung.« »Das dürfte sich problemlos einrichten lassen«, erwiderte der Kommissar und strich über seinen Spitzbart. »Und zweitens?« »Die Verlobung darf erst verkündet werden, wenn der portugiesische König sich für das Leben und die Sicherheit meines Vaters schriftlich verbürgt.«
    Aragon hob überrascht die Brauen. »Ihr seid eine kluge Frau«, erwiderte er voller Anerkennung. »Ihr habt recht, in der Politik darf man niemandem trauen. Ich für meinen Teil bin einverstanden und erkläre mich gern bereit, die Garantie des Königs beizubringen. Darauf gebe ich Euch mein Wort - als spanischer Ehrenmann. Aber noch wissen wir nicht, wie die Regentin sich entschieden hat.«
    Maria winkte Cornelius Scheppering zu sich, um sich mit ihm zu beraten. Die zwei steckten die Köpfe zusammen, doch sie sprachen so leise, dass Gracia kein Wort verstand. Erst jetzt bemerkte sie die Veränderungen im Gesicht des Dominikaners. Der Mönch sah aus wie ein alter Mann. Seine ehemals rosigen Wangen waren grau und eingefallen, sein früher lockiges Haar fiel in dünnen Strähnen rund um die Tonsur herab. Sogar das feine, böse Lächeln

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