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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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zur Trauung in die Kathedrale geschickt hatte, um ihm seine Verbundenheit zu bekunden, ging in der jüdischen Gemeinde das Gerücht, die Dominikaner ließen Beweise gegen die Conversos sammeln, um sie der Juderei zu überführen und den Papst und den König für die Einsetzung der Inquisition in Portugal zu gewinnen. Vorsichtshalber hatte Francisco einen Neffen Gracias beauftragt, die Augen nach möglichen Spionen offen zu halten.
    Der Rabbiner schenkte Wein in einen gläsernen Kelch und reichte ihn dem Brautpaar.
    »Gesegnet seiest du, Herr, unser Gott, König der Welt, der du die Frucht des Weinstocks erschaffen hast.«
    Gracia schlug ihren Schleier zurück, um zu trinken. Obwohl sie weiter jedem seiner Blicke auswich, musste Francisco sie ständig ansehen. Nein, eine Schönheit wie ihre Schwester Brianda war sie nicht, und doch kannte er kein Gesicht, das größeren Reiz auf ihn ausübte als ihres. Die dunklen, fast schwarzen Augen schienen ständig Feuer zu sprühen, während die aufgeworfenen Lippen unter der zierlichen Nase förmlich danach schrien, geküsst zu werden. Am meisten aber liebte er ihre Haltung. Ihr Familienname Nasi bedeutete »Fürst«, und wie eine Fürstin war Gracia eine geborene Herrscherin. Obwohl sie kaum größer war als ein Kind, meinte man, zu ihr aufschauen zu müssen. Francisco wusste, es war unmöglich, diese Frau gegen ihren Willen zu erobern, auch wenn er vom heutigen Tag an alles Recht der Welt hätte, ihr beizuwohnen, ja, ab sofort sogar dazu verpflichtet war. Er konnte sie nur erobern, wenn sie sich ihm freiwillig hingab. Was aber konnte er tun, damit dieses Wunder geschah? »Hare, at mekudeschet Ii betabaat so, kedat Mosche wejisrael«, sagte der Rabbiner. »Mit diesem Ring bist du mir angeheiligt nach den Gesetzen von Moses und Israel.« Mit keiner Regung erwiderte Gracia den Druck seiner Hand, als Francisco ihr den goldenen Ring an den Zeigefinger steckte und ihr sodann eine Abschrift der Ketubba gab. Während der Ehevertrag verlesen wurde, zog sie ein Gesicht, als hielte man ihr ein Stück verfaulten Fisch unter die Nase. Dabei war jeder Paragraph zu ihren Gunsten ausgelegt worden; jede Forderung ihres Vaters, der mit der Vermählung seine eigene kleine Handelsfirma unter das Dach des Hauses Mendes führen wollte, hatte Francisco erfüllt, um ihr seine Zuneigung zu beweisen. »An nichts also soll es der Braut fehlen«, beendete Rabbi Soncino die Verlesung der Ketubba, »weder an Nahrung noch an Kleidung, noch am fleischlichen Umgang mit ihr.« Zum ersten Mal glaubte Francisco ein Lächeln auf Gracias Lippen zu erkennen. Aber ach, aus diesem Lächeln sprach weder Zärtlichkeit noch Liebe, nur bitterer Spott. Vielleicht zweifelte sie an seiner Manneskraft, weil er doppelt so alt war wie sie? Francisco hätte sich glücklich gepriesen, wenn dies der Grund gewesen wäre - er hatte keine Not, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Doch er ahnte, dass der Grund ein anderer war. »Siehe, meine Freundin, du bist schön! Siehe, schön bist du!!« Mit den Worten König Salomos begann Rabbi Soncino die Predigt, um Braut und Bräutigam über den Sinn ihrer Vereinigung zu belehren. Die Rede erfüllte Francisco mit Neid. Was für ein glücklicher Mann musste König Salomo gewesen sein! Welche Kraft und Größe lag in den Worten, mit denen er seine Liebe feierte! Die Vereinigung von Mann und Frau erschien darin wie eine paradiesische Verheißung. Doch je länger der Rabbiner darüber sprach, desto unüberwindbarer erschien Francisco die Kluft, die ihn von der Verheißung Salomos trennte. »Wer keine Frau genommen hat, der ist, als wäre er nur eine Hälfte. Wenn sich aber Mann und Frau verbinden, dann werden sie ein Leib und eine Seele. Da wird der Mensch eins, vollkommen und ohne Makel, gleich Gott. Und Gott ruht in ihrer Verbindung, weil Mann und Frau in ihr sind wie ER.« Würde er, Francisco, solches Glück jemals genießen? Als der Rabbiner seine Predigt beendet hatte, drehte Francisco sich zu seiner Braut um.
    Siehe, meine Freundin, du bist schön! Siehe, schön bist du!... Noch immer hallten Salomos Worte in ihm nach. In Gracias Augen aber standen Tränen, und ihre Lippen zitterten, so schwer fiel es ihr, die Beherrschung zu wahren. Francisco litt unter ihrem Schmerz, als würde ein stumpfes Messer in seinen Eingeweiden wühlen. Erfüllte sie die Vorstellung, sich heute mit ihm vereinen zu sollen, mit solchem Entsetzen, dass ihre Augen davon überliefen? Er wusste ja, weshalb sie ihn

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