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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Lärm, dass alle Gespräche verstummten. Gracia wusste, wenn sie jetzt nicht ihre Frage stellte, würde sie keine Antwort mehr bekommen. Der Mitzwa war zwar nur ein einziger Tanz, aber sobald das Brautpaar ihn eröffnet hatte, machten alle Gäste mit, und manchmal dauerte er bis zum frühen Morgen. Brianda hatte schon einen Tänzer gefunden, Tristan da Costa, einen jungen Handelsagenten der Firma, der schwarze Locken an den Schläfen trug und aussah wie Francisco vor zehn Jahren. Plötzlich kam Gracia die Frage ganz von allein über die Lippen.
    »Hat Dom Diogo eigentlich immer noch nicht geheiratet?« Beim Sprechen drehte sie sich um. Doch der fremde Gast war verschwunden - sie sah nur noch, wie er Hals über Kopf zur Tür hinauseilte.
     

8
     
    »Ich hatte ihn beinahe erwischt«, sagte Tristan da Costa, »aber als ich ihn am Kragen packte, zückte er plötzlich ein Messer.« »Enrique Nunes - ein Spitzel?« Francisco schüttelte den Kopf. »Ich kann es einfach nicht glauben! Ich kenne ihn seit einer Ewigkeit. Er ist ein Jude wie wir.«
    »Er wäre nicht der erste Verräter«, erwiderte Rabbi Soncino. »Ich weiß von einem Dutzend Fälle, in denen sich getaufte Juden in das Vertrauen ihrer einstigen Glaubensgenossen geschlichen haben, um sie auszuspionieren. Oft sind diese Marranen die fanatischsten Marranenhasser, schlimmer noch als die Dominikaner.« »Aber mein Bruder hat Nunes hierhergeschickt. Um meiner Braut ein Geschenk zu bringen. Wir haben den Bruderkuss getauscht!«
    Tristan hob seinen linken Arm, der in einem Verband steckte. »Ist das nicht Beweis genug?«, fragte er. »Der Kerl hat sofort zugestochen. Aus welchem Grund hätte er das sonst tun sollen?« Francisco schwieg. Durch das Treppenhaus tönte leise die Musik der Hochzeitsgesellschaft in das Kontor herauf, in dem die drei Männer saßen. José hatte Verdacht geschöpft, weil der fremde Gast bei Tisch mehrmals das Kreuzzeichen geschlagen und sich außerdem in der Küche auffallend ausführlich nach der Zubereitung der Speisen erkundigt hatte - ob auch alles koscher sei. »Tristan hat recht«, sagte Rabbi Soncino. »Diogos Geschenk war Tarnung, nichts hätte ihn besser vor unserem Verdacht schützen können. Er sammelt Beweise dafür - in wessen Auftrag auch immer -, dass wir insgeheim den Glauben unserer Väter praktizieren.«
    »Ich zahle dem König jährlich ein Vermögen, damit er uns in Ruhe lässt«, erwiderte Francisco.
    »Was sind diese Summen im Vergleich zu den Reichtümern, die Dom Jono unserem Volk erst abpressen kann, wenn der Kaiser in Rom seinen Willen durchsetzt? Solange der Papst die Inquisition nicht ins Land lässt, muss Dom Jono sich mit Euren Bestechungsgeldern begnügen. Können aber die Dominikaner beweisen, dass die getauften Juden heimlich Juderei betreiben oder sonstige Verbrechen begehen, wird auch der Papst die Inquisition nicht länger aufhalten. Dann hat Dom Jono freie Hand, alle Marranen vor das Glaubensgericht zu zerren, sie hinzurichten und ihre Besitztümer in Beschlag zu nehmen.«
    Rabbi Soncino war fast zehn Jahre jünger als Francisco. In seinem Bart schimmerten erst wenig silberne Haare. Aber er hatte einen so scharfsinnigen Talmud-Kommentar verfasst, dass er trotz seiner Jugend als höchste Autorität in der Gemeinde galt. »Was meint Ihr mit sonstigen Verbrechen?«, fragte Francisco. Der Rabbiner hob die Brauen. »Muss ich das wirklich erklären?«
    Francisco spürte, wie ihm das Blut in den Adern gefror. »Enrique Nunes kennt alle Bücher der Firma Mendes. Drei Tage war er im Kontor, um sie zu studieren, angeblich im Auftrag meines Bruders. Ich selbst habe ihm erlaubt, Abschriften zu machen.« Er dachte kurz nach und teilte seinen Entschluss dann mit klarer Stimme mit. »Wir müssen ihn finden, sofort, bevor er mit den Beweisen das Land verlässt.«
    »Welchen Weg wird er wählen?«, fragte Rabbi Soncino. »Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder den Hafen oder die spanische Grenze. Der Hafen ist schnell überprüft. Heute Nacht laufen nur drei Schiffe aus, die Esmeralda, die Gloria und die Felicidade.« Er wandte sich an Tristan da Costa. »Bist du trotz deiner Verwundung bereit, die Verfolgung aufzunehmen?«
    Tristan biss die Zähne zusammen und nickte. »Gut. Dann nimm ein paar Männer mit. Aber nur solche, die reiten und mit einer Waffe umgehen können.« Tristan holte tief Luft. »Und was sollen wir mit dem Mistkerl machen, wenn wir ihn fassen?« Francisco nickte Soncino zu. »Sagt Ihr es ihm.« Der

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