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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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war ihm Schutz genug gegen die Plage. Der Herr würde die Seinen schon erkennen! Schlimmer als die Pest des Leibes war ohnehin die Pest der Seele, die der Ausbreitung der Juden so sicher auf dem Fuße folgte wie der Schwarze Tod. Außerdem war der Sieg der göttlichen Sache allemal wichtiger als sein eigenes nichtiges Leben.
    In dem Dominikanerkloster, in dem Cornelius Scheppering Quartier nahm, gab es gesicherte Kunde, dass die Seuche mit den Juden nach Ferrara gelangt war, über den Brennerpass aus Deutschland oder aus der Schweiz. War das ein Wunder? Das Herzogtum war ein notorischer Sündenpfuhl, in dem jeder Gottesleugner gleich welcher Couleur willkommen war. Mit Herzog Ercole regierte hier ein antipapistischer Renegat, dessen Frau schon dem Ketzer Johannes Calvin Unterschlupf gewährt hatte und mit dessen tätiger Hilfe sich jetzt Gracia Mendes erfrechte, den Beschluss des Zehnerrats und der Inquisition durch ein eigenes Urteil in Abrede zu stellen. Und als wäre das nicht Frevel genug, hatte sich das Judenweib anheischig gemacht, die Heilige Schrift ins Spanische zu übersetzen. Obwohl sie mit diesem Machwerk, das den stinkenden Ungeist des Protestantismus atmete, auf den Spuren des Oberteufels Martin Luther wandelte, erregte sie selbst bei frommen Katholiken den Anschein, als wollte sie Gottes Wort verbreiten. Was für ein Unfug, dem Volk die Bibel zur Lektüre zu geben! Allein von Gott geweihte Priester waren befähigt, die Heilige Schrift zu lesen, um ihren Sinn dem Volke auszudeuten. Dennoch war man der Jüdin auf den Leim gekrochen, sogar Teile des Klerus lobten ihr Werk, und in Venedig hatte die Ferrareser Bibel solches Aufsehen erregt, dass der Zehnerrat gegen die Einmischung Ercoles in die Rechte der Serenissma nicht mehr als einen lauen und lahmen Einspruch zuwege gebracht hatte.
    Doch Cornelius Scheppering war nicht gewillt, den Triumph seiner Widersacherin tatenlos hinzunehmen. War die Ausbreitung der Pest in Ferrara nicht Beweis genug, dass die Juden mit dem Teufel in Verbindung standen? Es musste schon mit dem Gehörnten in persona zugehen, wenn es ihm nicht gelänge, eine Handhabe zu finden, um dem verfluchten Weib den Garaus zu machen.
    In dieser Absicht sowie im Vertrauen auf Gottes weise Führung suchte Cornelius Scheppering noch am Tag seiner Ankunft die Druckerwerkstatt auf, in welcher die vermaledeite Spanisch-Bibel vervielfältigt wurde. Der Meister, ein angejahrter Judenbengel, der sich mit dem christlichen Namen Duarte Pinel vorstellte, obwohl ihm der Mosesglaube nur so aus den Glupschaugen quoll, gab ihm zwei Packen noch ungebundener Bogen frisch aus der Presse.
    »Mit Erlaubnis des allerdurchlauchtigsten Herzogs von Ferrara.« Während der Scheinchrist sich entfernte, verglich Cornelius Scheppering die beiden Fassungen des gotteslästerlichen Werkes. Das Frontispiz der Ausgabe für die spanisch-jüdische Leserschaft zeigte ein Segelschiff in stürmischer See, das trotz gebrochenem Mast nicht unterging. Ein freches Sinnbild für die teuflische Kunst der Marranen, sich auf ihrer Lebensreise der himmlischen Gerechtigkeit immer wieder zu entziehen? Cornelius Scheppering hegte keinen Zweifel an dieser Deutung. Wie um seine fromme Christenseele zu verhöhnen, prangte auf dem Titelblatt der Name seiner Widersacherin Gracia Mendes, und die Drucklegung war nach hebräischer Zeitrechnung auf den 14. Adar des Jahres 5313 datiert. Um nicht zu erbrechen, blätterte Cornelius weiter. Mit welch hinterlistiger Schläue man die Worte gesetzt hatte, um den wahren Sinn der Schrift zu verfälschen! Wo es hätte »Jungfrau« heißen müssen, wie es sich zur Bezeichnung der Muttergottes gehörte, hatte man scheinheilig »Magd« geschrieben. Dennoch waren Cornelius Scheppering die Hände gebunden. Das herzogliche Imprimatur schützte die unheilige Schrift vor seinem Zugriff. »Ehrwürdiger Vater?«
    Er war so in seine Arbeit vertieft, dass er den Gesellen gar nicht bemerkt hatte, der plötzlich mit seiner Lederschürze vor ihm stand.
    »Was willst du?«
    »Vielleicht solltet Ihr das einmal lesen?«, erwiderte der Bursche und reichte ihm ein weiteres Bündel. »Der Meister ist gerade zum Mittagessen fort.«
    Draußen rumpelte ein Pestkarren vorbei. »Bringt her eure Toten ! Eure Toten bringt heraus!«
    Während Cornelius noch zögerte, das Bündel zu nehmen, beugte der Geselle sich zu ihm herab. »Glaubt Ihr nicht auch«, fragte er mit gedämpfter Stimme, »dass die Juden uns die Pest in die Stadt gebracht

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