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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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sie ihm den Rücken zu, den Schleier mit beiden Händen vor sich haltend, wie um ihn zu verhöhnen, und während sie ihre Füße nach außen spreizte, ging sie mit zuckenden Bewegungen ihres Unterleibs so tief in die Knie, dass ihr wunderbares Hinterteil beinahe den Boden berührte. Dann schlängelte sie sich wieder in die Höhe, und nach einer unendlich langsamen Drehung, die José wie eine schmerzlich süße Ewigkeit erschien, war der Schleier plötzlich verschwunden. Ein dunkelroter Mund lächelte ihn an, eine aufgebrochene Feige in einem Gesicht so hell und rein wie unberührter Schnee. Die Augen in die seinen versenkend, öffnete sie ihre Lippen, kaum mehr als ein lächelnder Spalt, eine bedrohlich lockende Verheißung.
    »Sie gehört dir, Yusuf, ich schenke sie dir«, flüsterte Selim. »Worauf wartest du? Sei ein Mann!«
    José schüttelte den Kopf. »Ich ... ich kann nicht ...« Obwohl er sich nicht vom Fleck rührte, war es, als würde er mit dieser Frau verschmelzen, sich mit ihr paaren in der Bewegung des Tanzes, allein durch die Glut ihrer Blicke.
    »Du kannst nicht?« Selim zog ihm das Kissen fort. »Ich glaube nicht, was deine Zunge sagt! Deine Rute spricht eine andere Sprache!«
    Die Armenierin schaute auf seinen Schoß, mit einer Schamlosigkeit, die José vor Erregung zittern ließ, und fuhr mit der Spitze ihrer Zunge einmal über ihre lächelnden Lippen, ganz kurz nur und zart, während sie ihre Hüften weiter kreisen und kreisen ließ und, so langsam, dass es José fast den Verstand raubte, den Knoten der zwei Schleier löste, die ihre Brüste bedeckten. Wie aus weiter Ferne klingelten die Schellen an ihren Füßen, die Zimbeln in ihren Händen. Unfähig, sich zu rühren, stöhnte José leise auf. Blieb ihm denn eine Wahl? Wie könnte er dieses herrliche Geschenk verweigern, ohne Selims Zorn zu erregen? »Ich ... ich will nicht ...«, stammelte er.
    Auf einmal war die Armenierin nackt. Kein einziger Schleier, nicht mal ein Haar bedeckte ihren makellosen Leib, den sie, die Hände über dem schwarzen Lockenkopf zu einem Dach aneinandergelegt, ihm lächelnd zum Genuss darbot, die dunklen Mandelaugen unverwandt auf ihn gerichtet, als wäre sie nur für ihn geboren worden, als hätte sie für ihn ganz allein Fleisch angenommen.
    »Du darfst sie nicht zurückweisen«, hörte José die flüsternde Stimme des Prinzen, »es sei denn, du willst mich beleidigen ...«
     

38
     
    Auf der Piazza von San Marco, Machtzentrum Venedigs wie auch Mittelpunkt aller öffentlichen Lustbarkeiten, wurde ein Scheiterhaufen errichtet, zum ersten Mal seit langer Zeit. Die Arbeiten überwachte der Propst der Basilika höchstselbst, denn das Aufschichten war eine Kunst, die gründliche Kenntnisse erforderte. In Vorfreude auf ein Ereignis, das die Dogen dem Volk allzu viele Jahre vorenthalten hatten, strömten Scharen von Schaulustigen herbei, um den Arbeitern zuzusehen, die das kostbare Brennmaterial mit Sorgfalt und Geschick aufeinanderstapelten: Drei Klafter Buche, so hieß es mit ehrfürchtigem Staunen, und zwei Dutzend Reisigbündel, die man eigens vom Festland herbeigeschafft hatte, wurden hier verbraucht, um eine einzige Sünderin hinzurichten. Was für eine Verschwendung! Allein, der Fall, der hier gesühnt werden sollte, war so bedeutend, dass man beschlossen hatte, ein Exempel zu statuieren und das Urteil, das zwar noch nicht gefällt, über dessen Ergebnis es jedoch keinerlei Zweifel geben konnte, statt durch Ersäufen auf hoher See vor aller Welt auf der Piazza durch das Feuer zu vollstrecken - gleichgültig, was die Hinrichtung kostete und wie viele Wachen nötig wären, um das Holz des Nachts vor Diebstahl zu schützen. Brianda erschauerte, als sie den Scheiterhaufen sah, und beschleunigte ihre Schritte, um den Markusplatz zu überqueren und in jenen Teil des Dogenpalasts zu gelangen, in dem das Offizium der heiligen Inquisition untergebracht war. »Ich ziehe meine Klage zurück«, erklärte sie, als sie vor dem Inquisitor stand. »Meine Schwester Gracia Mendes hat weder Vorbereitungen getroffen, mit ihrem Vermögen nach Konstantinopel auszuwandern, noch hat sie mich oder meine Tochter versucht zu zwingen, ihr ins Land der Ungläubigen zu folgen.« »Ich hatte gehofft, Ihr würdet Euch für die Freilassung Eures Agenten bedanken«, erwiderte Cornelius Scheppering, ohne von seinen Akten aufzuschauen. »Oder ist Tristan da Costa nicht wohlbehalten zu Euch zurückgekehrt?«
    »Bitte verzeiht mir, Ehrwürdiger Vater.

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