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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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»Gepriesen seiest du, Ewiger, unser Gott, König der Welt. Ich will dich für das Böse wie für das Gute preisen. Und dich lieben mit meinem ganzen Herzen und mit meiner ganzen Seele.«
     

37
     
    Leise klingelten die Schellen an den Fesseln der Armenierin, die mit bloßen Füßen und zuckenden Hüften in der Mitte des Zeltes zum Rhythmus einer Tabla ihren Körper kreisen ließ, der nur von einigen wenigen Schleiern verhüllt war. Die Arme über dem Kopf erhoben, mit silbernen Zimbeln zwischen den schlanken Fingern, drehte sie im Tanzen ihren von schwarzen Locken umrahmten Kopf über die Schulter in Richtung der beiden Männer, die zu ihren Füßen auf dem Boden hockten. José spürte einen Kloß im Hals. Zwei dunkle, mandelförmige Augen schauten ihn an, als gäbe es keinen anderen Mann auf der Welt. Der Blick über dem verschleierten Gesicht traf ihn mit solcher Glut, dass er ihm bis in die Lenden fuhr, und obwohl er sich mit ganzer Seele dagegen sträubte, konnte er nicht die Augen von diesem Körper lassen, der sich wie eine Schlange zu winden verstand. So musste Herodes sich gefühlt haben, als Salome für ihn tanzte. »Gefällt sie dir, Yusuf ?«, fragte Selim, der Sohn des Sultans, der mit untergeschlagenen Beinen neben ihm saß und ihn über den Rand seines Weinglases musterte.
    »Ich habe noch nie eine so schöne Frau gesehen«, flüsterte José mit trockenem Mund.
    »Ich kann es in deinen Augen lesen. Möchtest du sie haben?« José spürte den lauernden Blick und wandte sich um. Der Sohn des Sultans, der ihn immer nur Yusuf nannte, war ein dicklicher junger Mann mit aufgeschwemmtem Gesicht, das trotz seiner Jugend schon vom Weingenuss gezeichnet war. Auf dem langen Weg von Edirne bis hierher nach Ungarn, wo das osmanische Heer sich auf eine Schlacht gegen die Magyaren vorbereitete, war es José gelungen, Selims Freundschaft zu erwerben, wie Amatus Lusitanus es ihm geraten hatte. Unter Einsatz seines Lebens hatte er den Prinzen immer wieder mit seinem Lieblingsgetränk versorgt und im Dunkel der Nacht Weinfässer an bewaffneten Janitscharen vorbeigeschmuggelt, die auf Geheiß des strenggläubigen Sultans darüber wachten, dass keine verbotenen Getränke in das Heerlager gelangten. Irgendwann, so hoffte José, würde der Augenblick kommen, da er Selim um den Gefallen bitten könnte, auf den er zur Erfüllung seiner Mission so dringend angewiesen war. War dieser Augenblick endlich gekommen? »Ich weiß Eure Großherzigkeit zu schätzen, aber Ihr wisst doch - ich bin verlobt.«
    »Na, und? Der Prophet erlaubt jedem Mann die Heirat mit vier Frauen und dazu den Genuss einer jeden Sklavin, die zu seinem Haushalt gehört.«
    »Verzeiht, Hoheit, wir Juden sind von Allah nicht so großzügig bedacht worden wie Ihr. Wir entbehren der Gabe, die Eure Größe ausmacht, gleich mehrere Frauen lieben zu können, und müssen uns darum mit einer einzigen begnügen.« José zögerte einen Moment und rückte seinen Turban zurecht. Als er das Entzücken sah, mit dem der Prinz von dem Tokayer trank, den er letzte Nacht beschafft hatte, fasste er sich ein Herz. »Allerdings, wenn Ihr mir erlaubt, einen anderen Wunsch zu äußern? Einen Wunsch, der mir wichtiger ist als jeder andere?« Selim stellte sein Glas ab und wischte sich mit dem Ärmel seines Gewandes über den Mund. »Welchen, mein Freund?«, fragte er mit gerunzelten Brauen.
    »Verschafft mir eine Audienz bei Eurem Vater.« »Das soll dein größter Wunsch sein?« Mit einem spöttischen Lächeln zwirbelte Selim die Enden seines Bartes. »Und was ist das für eine Beule da in deiner Hose? - Lügner!« Er nahm sein Glas und schüttete es José über den Schoß. »Siehst du? Nicht mal der Wein kann deine Hitze löschen!«
    Im selben Moment wurde José gewahr, dass die Armenierin immer noch ihre dunklen Augen auf ihn gerichtet hielt, und das Blut schoss ihm ins Gesicht. Hatte auch sie die Beule gesehen? In seiner Verwirrung nahm er ein Kissen, um den Schoß zu bedecken.
    »Dummkopf!«, lachte Selim ihn aus. »Was willst du bei meinem Vater, wenn du eine solche Frau haben kannst?« Noch während er sprach, schnippte er mit den Fingern, und als hätte sie nur auf sein Zeichen gewartet, tänzelte die Armenierin, sich im Rhythmus der Tabla in den Hüften wiegend, auf den Spitzen ihrer nackten Zehen näher. Ohne ihren Tanz zu unterbrechen, löste sie den Schleier, der ihr Gesicht bedeckte. José hielt den Atem an. Würde sie sich ihm zeigen ? Zu seiner Enttäuschung kehrte

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