Die Gottessucherin
doch getragen von der Zuversicht in den Herrn machte er sich auf den Weg zum Palast seiner Widersacherin. Ja, Cornelius Scheppering war bereit, dem verstockten Weib eine letzte Möglichkeit zu Umkehr und Buße zu geben. Es war ihm zwar nicht gelungen, Gracia Mendes zu vernichten - aber vielleicht war es ja tatsächlich Gottes Wille, sie zu
bekehren?
Obwohl der Gottesmord der Juden unaufhebbarer Grund ihres Heilsverlustes ist, bleibt ihre Bekehrung die Pflicht eines jeden Christenmenschen, und selbst der glaubensstrenge Augustinus hat verlangt, dass man aus Mitleid gegen die Ungläubigen alles an ihre Konversion setzen solle. Die Seelen der Schwester als auch der beiden Mendes-Töchter zappelten bereits in Cornelius Schepperings Glaubensnetz. Doch heute wollte er, nach qualvoll langen Jahren des Irrens und Scheiterns, endlich jenen einen, alles entscheidenden Seelenfang tun, dem sein ganzes Tun und Trachten als Menschenfischer galt, zur Sühne und Wiedergutmachung seiner Verfehlung. Würde ihm heute das Werk gelingen?
Wohlgemut betrat Cornelius Scheppering den Palazzo. Die kalte, seelenlose Marmorpracht, in der Gracia Mendes als Gefangene ihrer eigenen Selbstherrlichkeit lebte, beeindruckte ihn nicht.
Was vermochte eitler Weltbesitz, wenn er Gott an seiner Seite wusste? Angst hatte er nur davor, dass ihn einmal mehr jene Sprachlosigkeit, die ihn bisweilen wie eine Heimsuchung ereilte, überfiel.
Er traf Gracia Mendes in gefasster Stimmung. Damit hatte er gerechnet. Laut Auskunft ihrer Wächter verbrachte sie die Tage in Gebet und Lektüre, und als Seelsorger wusste er, dass solche Sammlung auch eine glaubenskranke Lotterseele wie die ihre zu festigen geeignet war.
»Die Zeit ist erfüllt«, zitierte er die Worte der Heiligen Schrift, »das Reich Gottes ist herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!«
»Was berechtigt Euch, so mit mir zu sprechen?«, fragte Gracia Mendes. »Kennt Ihr nicht den Brief des Apostels Paulus an die Römer, in dem er die Jünger Christi vor Überheblichkeit gegenüber dem Volk Israel warnt? Rühmst du dich aber gegen sie, so sollst du wissen, dass nicht du die Wurzel trägst, sondern die Wurzel trägt dich!«
Mit Verblüffung vernahm Cornelius Scheppering die Apostelworte, die das Weib gegen ihn richtete. Doch blieb er die Antwort nicht schuldig. Wenn die Wurzel das Judentum war, so gehörte sie ausgerottet, mit Stumpf und Stiel, damit sie die Blüte des Christenglaubens, die ihr entspross, nicht länger mit ihrem Gift zersetzen konnte.
»Ihr haltet mir die Rede des heiligen Paulus entgegen?«, fragte er. »So erwidere ich sie mit den Worten Eures Propheten Samuel: Wenn ihr euch zu dem Herrn bekehren wollt, so tut von euch die fremden Götter und die Astarten und richtet euer Herz zu dem Herrn und dient ihm allein, so wird er euch erretten aus der Hand der Philister.«
»Ich habe den Herrn beständig vor Augen«, antwortete Gracia ungerührt, »und suche ihn zu erkennen auf all meinen Wegen.« Sie sah ihm fest in die Augen. »In Euch erkenne ich ihn nicht.« Cornelius Scheppering knirschte mit den Zähnen. In seiner Gestalt beleidigte sie den Herrn! Aber statt sie anzuspeien, bezähmte er sich. Zwei Wege kannte die Judenmission. Taufe oder Tod! Die Verheißung von Rettung und Erlösung - oder ewiges Strafgericht.
»Wer den Namen Gottes anruft, der wird gerettet werden«, zitierte er ein letztes Mal die Worte der Liebe und Vergebung. »Doch wehe, wer seinen Namen missachtet! Gracia Mendes -Ihr seid ans Ende Eures Weges gelangt! Kehrt um! Um Eurer Seele willen! Sonst seid Ihr für immer verdammt! Wenn Ihr nicht widerruft, kann keine Macht der Welt Euch länger schützen! Weder Euer Geld noch Euer Palast!«
Gracia fasste an ihre Brust und nahm das Medaillon in die Hand, das an einer goldenen Kette von ihrem Hals herabhing. »Erinnert Ihr Euch?«, fragte sie. »Vor Jahren wolltet Ihr mich mit diesem Bildnis überführen. Damals habe ich meinen Glauben geleugnet, aus Angst vor Eurer Strafe. Inzwischen aber bin ich mir meiner Bestimmung sicher. Der Herr hat mir den Weg gewiesen. Ich brauche Euch nicht länger zu fürchten.« Cornelius Scheppering starrte auf das Amulett in ihrer Hand. Wie eine Teufelsfratze sprang ihm das Frauenbildnis entgegen. »Ihr wähnt Euch auf dem Weg des Herrn?«, rief er. »Weil Samuel Usque Euch als neue Esther preist? Euer Hochmut ist eine Sünde wider den Heiligen Geist! Die peinliche Befragung wird Euch lehren, was der wahre Weg des Herrn ist!«
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