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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Herzens bezeichnete. Ohne ihn wahrzunehmen, ganz in sich versunken, murmelte sie kaum hörbare Worte. Still wartete er, bis sie ihr Gebet beendete. Niemand durfte die Zwiesprache mit Gott unterbrechen, außer bei größter Gefahr.
    »Gib dem sündigen Triebe keine Gewalt über uns, und halte uns fern von bösen Menschen und bösen Genossen, und lass uns fest anhangen dem Triebe zum Guten und zu guten Taten ...« Es waren die Formeln des Morgengebets. Leise sprach er sie mit. »Francisco?« Erschrocken fuhr Gracia herum. »Bist du schon lange da? Ich ... ich hatte dich gar nicht gehört.« »Ich wollte dich nicht stören.« Ihre Augen glänzten, als sie sich erhob. Hatte sie geweint? Dafür konnte es nur einen Grund geben! »Bist du auch so glücklich wie ich?«, fragte er. »Glücklich?« Statt sein Lächeln zu erwidern, errötete sie. »Nach dem, was wir getan haben?«
    »Was haben wir denn getan?«, fragte er und zwinkerte ihr zu. »Doch nur, was alle Brautleute tun. Oder hast du Rabbi Soncinos Predigt vergessen?«
    Gracia schlug die Augen nieder. »Ich ... ich muss dir etwas gestehen ...«
    »Egal, was es ist, es wird mich nur noch glücklicher machen.« »Ach, wenn es nur so wäre. Ich ... ich habe ... Wir beide haben ...«
    »Was hast du? Was haben wir?«
    Gracia hob den Kopf. Doch bevor sie antworten konnte, wurden Schritte laut. Tristan da Costa kam in das Bethaus gerannt. Francisco zog scharf die Luft ein. Das Gesicht seines Agenten versprach nichts Gutes, so wenig wie seine Eile. »Ist er euch entkommen?«, fragte Francisco. Tristan begriff sofort, was er meinte, und schüttelte den Kopf. »Nein, das nicht, wir haben den Mistkerl erwischt.« »Gott sei Dank! Aber - was stürmst du dann hier herein? Das ist ein Bethaus.«
    »Ich muss mit Euch sprechen. Dringend!«
    »Dann sag, was du zu sagen hast! Aber rasch! Ich habe heute wenig Zeit.«
    »Können wir kurz allein reden?«
    »Wozu? Wir sind allein. Ich habe keine Geheimnisse vor meiner Frau.«
    Tristan schaute ihn unschlüssig an. »Aragon, der königliche Kommissar für Converso-Angelegenheiten ...« »Ja, ja, ich kenne ihn. Was will er?«
    »Er kam am Morgen ins Kontor, mit einem Befehl. Dom Jono erwartet Euch am Hof. Sofort!«
    »Am Hof?« Francisco entspannte sich. »Dann kann es nichts Dringendes sein.«
    »Ich fürchte doch. Aragon sprach von einem wichtigen Geschäft.«
    »Dafür soll ich alles stehen und liegen lassen? Am ersten Tag meiner Ehe?« Francisco schüttelte den Kopf. »Nein, kein Geschäft der Welt bringt mich heute aus dem Haus.« »Ich würde Euch trotzdem empfehlen, der Aufforderung zu folgen.« Tristan trat näher heran, und so leise, dass Gracia nichts hören konnte, flüsterte er Francisco ins Ohr. »Es waren Wächter in der Gegend, als wir Nunes erwischten. Ich fürchte, sie haben uns gesehen. Außerdem hatten wir keine Zeit, uns um seine Leiche zu kümmern. Wir konnten weder seine Kleider durchsuchen noch ihn verscharren. Es könnte also sein, dass der König deshalb ...«
    »Auch das noch!« Francisco schloss kurz die Augen. Dann sagte er laut: »Gib Aragon Bescheid, dass ich komme. Ich mache mich gleich auf den Weg.«
    Während Tristan verschwand, drehte Francisco sich zu Gracia um.
    »Ich muss zum Hof«, erklärte er. »Dom Jono will mich sehen.«
    »Ausgerechnet heute?«
    Er nickte. »Jetzt gleich.«
    »Geh bitte nicht, Francisco. Bleib bei mir.«
    »Nichts würde ich lieber tun, aber ich kann nicht.«
    »Bitte. Es ist mein innigster Wunsch.«
    »Soll ich mich dem König widersetzen? Das wäre nicht klug. Es geht um ein wichtiges Geschäft!«
    »Um ein Geschäft? Ich dachte, kein Geschäft der Welt bringt dich heute aus dem Haus.«
    Als er mit der Antwort zögerte, presste Gracia die Lippen zusammen, und ihre Miene verhärtete sich. Eine scharfe, senkrechte Falte trat zwischen ihre Augen.
    »Ich sehe schon«, sagte sie. »Du willst nicht. Das Geschäft ist dir wichtiger.«
    »Das ist nicht wahr.«
    »Doch! Wenn du wirklich wolltest, würdest du bleiben!« »So einfach ist das nicht. Wenn der König befiehlt, muss ich gehorchen.«
    »Der König hat dir nichts zu befehlen! Oder bist du sein Sklave?« »Psst, nicht so laut«, sagte er.
    »Du hast recht.« Sie senkte ihre Stimme. »Ich ... ich muss dir etwas sagen.«
    »Später. Es geht jetzt nicht.«
    »Aber es ist wichtig!«
    »Ich verstehe dich ja. Ich hatte mir unseren ersten Tag auch anders vorgestellt.«
    »Gar nichts verstehst du!«, rief sie. »Es geht nicht um heute. Es

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