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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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der Felswand, zeige mir deine Gestalt, lass mich hören deine Stimme. Denn deine Stimme ist süß, und lieblich ist deine Gestalt ...« Plötzlich war Francisco nackt. Groß und mächtig ragte sein Glied zu ihr empor, pulsierend vor Erregung. Noch nie hatte Gracia einen Mann so gesehen. Sie starrte ihn an, und ihr Entsetzen wurde zu brennender Lust.
    »Tu mir auf, liebe Freundin, meine Schwester, meine Taube, meine Reine! Denn mein Haupt ist voll Tau und meine Locken von Nachttropfen ...«
    Endlich öffneten sich Gracias Lippen, und ihre Zunge löste sich. »Wie ... wie hast du mich genannt?«, fragte sie. Francisco streckte die Hand nach ihr aus. »Meine Taube ... Meine Reine ...«
    Als er die Worte wiederholte, wallte ihm ihr Innerstes entgegen, mit solcher Macht, dass ihr schwindlig wurde. Auf einmal war ihr Körper, war sie selbst ein einziges Sehnen, und alles in ihr verlangte danach, erlöst zu werden. Und statt ihrem Mann die Wahrheit zu sagen, statt ihm ihre Unreinheit zu gestehen, ihn zurückzuweisen und zu strafen, ließ Gracia ihr Hemd zu Boden fallen, und mit rauer, fremder Stimme hörte sie sich die Worte der anderen sagen, die Worte von Salomos Frau, die Worte der Heiligen Schrift: »Ich habe mein Kleid ausgezogen, wie soll ich es wieder anziehen?«
     

10
     
    Obwohl erst dreizehn Jahre alt, war José Nasi ein erstklassiger Reiter, und den Degen führte er so sicher wie ein Soldat der königlichen Leibgarde. Trotzdem platzte er fast vor Stolz, als er mit den übrigen Männern, die Tristan da Costa für die Verfolgung des Spions bestimmt hatte, in der Dunkelheit der Nacht sein Pferd bestieg.
    Es war das erste Mal, dass José an einer solchen Unternehmung teilnahm, und er war fest entschlossen, seine Sache gut zu machen. Sein Vater war Professor für Philosophie und Medizin an der Universität Lissabon gewesen, und wenn José an ihn dachte, sah er ihn stets mit einem Buch vor sich. Aber die Bücher hatten weder ihn noch seine Frau schützen können, beide waren an der Pest gestorben, die vor drei Jahren in der Hauptstadt grassiert hatte. Seitdem lebte José im Haus seines Großonkels, Gracias Vater, zusammen mit seinen Tanten, die nur wenige Jahre älter waren als er selbst. Tagsüber half er im Kontor der kleinen Handelsfirma Nasi und abends im Speicher, um sich einen Platz in der Familie zu erobern, die ihn in ihrer Mitte aufgenommen hatte, statt ihn seinem Schicksal zu überlassen.
    »Was glaubt ihr, welchen Weg der Mistkerl genommen hat?«, fragte Tristan. »Zum Hafen oder zur Grenze?« Die Meinung der Männer war gespalten, aber keiner kam auf die Idee, José zu fragen. Warum zum Teufel taten sie das nicht? Zwar spross noch kein Bart an seinem Kinn, aber vor ein paar Monaten hatte er die Bar-Mitzwa gefeiert, war also ein vollwertiges Mitglied der Gemeinde, das in der Synagoge den Gebetsriemen anlegen und aus der Thora vorlesen durfte: ein richtiger Mann. Außerdem war er allem Anschein nach der Einzige, der zumindest eine Ahnung hatte, wo der Verräter stecken könnte. Also nahm er seinen ganzen Mut zusammen und trieb seinen Wallach an die Flanke von Tristans Schimmelstute. »Weder noch«, unterbrach er den Streit der Männer. »Was soll das heißen - weder noch?«, fragte Tristan. »Überhaupt, was mischst du dich ein?«
    »Enrique Nunes ist weder zum Hafen noch zur Grenze geritten. Er befindet sich in der Stadt.« »Woher willst du das wissen?«
    »Egal, ob er nach Beiern oder in Richtung Badajoz fliehen will -in beiden Fällen müsste er das Stadttor passieren. Und das wird er nicht tun.«
    »Warum nicht? Nur weil die Tore geschlossen sind?« Tristan zuckte die Schultern. »Er braucht den Wächtern bloß ein paar Münzen zu geben, und sie lassen ihn durch, genauso wie uns.«
    »Vielleicht. Aber er muss damit rechnen, dass wir ihn verfolgen und die Wächter ihn an uns verraten. Also wird er das Stadttor meiden.«
    Tristan drehte sich im Sattel um. »Wenn du so schlau bist - welchen Weg würdest du denn an seiner Stelle nehmen?« José erwiderte ruhig seinen Blick. »Am alten Fischmarkt gibt es eine kleine Anlegestelle. Wenn ihn da ein Ruderboot aufnimmt, kann er in beiden Richtungen über den Fluss fliehen, ohne das Stadttor zu passieren.«
    Tristan dachte kurz nach. Dann hob er die Hand. »Also gut, zum Tejo!«
    Wenige Minuten später erreichten sie den alten Fischmarkt. Leer und verlassen lag der Platz vor ihnen in der Dunkelheit, aber Enrique Nunes war nirgendwo zu sehen. Nur ein Dominikaner

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