Die Gottessucherin
Selim winkte den Eunuchen herbei, damit er ihm Wein nachschenke. Wieder trank er und schaute in sein Glas, so tief in Gedanken, als wäre sonst niemand im Raum. War die Audienz schon beendet? Reyna spürte Panik. Was konnte sie sagen, was konnte sie tun, um das Unglück abzuwenden? Fieberhaft dachte sie nach, aber es fiel ihr nichts ein. Alles, was sie vorbringen konnte, hatte sie vorgebracht. Sie hatte kein Geld, keine Waren, kein Geschäft -nichts, was sie einem Prinzen hätte anbieten können. Als Selim sie endlich wieder anschaute, schien er beinahe überrascht, sie immer noch vor sich zu sehen. Ja, die Audienz war vorüber. Reyna musste sich verabschieden. Doch statt sie fortzuschicken, fragte Selim sie mit leiser Stimme: »Und Ihr? Liebt Ihr Yusuf Bey ebenso sehr, wie er Euch zu lieben scheint?« »Mehr als mein Leben«, sagte Reyna.
»Obwohl Ihr Omar heiraten sollt, den Sohn des Großwesirs? Die Zierde Konstantinopels und Freude Allahs?« Reyna hielt seinem prüfenden Blick stand. »Es gibt für mich nur einen Mann, mein Prinz.«
»Das behaupten alle Frauen«, erwiderte Selim mit einem spöttischen Lächeln. »Aber - ist es auch wahr?« Er hob die Augenbraue und nickte ihr zu. »Nun gut. Wenn es Euch gelingt, mir Eure Liebe zu beweisen, werde ich Yusuf Bey helfen.« »Wirklich?« Reyna musste sich in ihrer Freude beherrschen, nicht wieder auf die Knie zu fallen. »Ich weiß nicht, wie ich Euch danken soll. Was ... was soll ich tun?«
Der Prinz schaute zur Decke, als würde er träumen. »Yusuf Bey hat oft von Eurem Gesicht gesprochen«, sagte er, »von tausend kleinen Sonnen, die darin aufgehen, wenn Ihr lacht.« Er richtete seine Augen auf sie. »Zum Beweis Eurer Liebe verlange ich ein Geschenk von Euch. Ein Geschenk, das eine Frau nur einem einzigen Mann machen kann, und das nur ein einziges Mal in ihrem Leben.«
Reyna erschrak. Meinte der Prinz wirklich, was sie glaubte, zu verstehen ? Ein Blick in sein Gesicht genügte, um ihr die Antwort zu geben. Nein, es war kein Zweifel möglich. Sie selbst war der Preis für seine Hilfe.
»Seid Ihr dazu bereit?«, fragte er, als würde er ihre Gedanken erraten.
Reyna schloss die Augen. Der Kloß in ihrem Hals war groß wie eine Faust, und ihr Magen zog sich zusammen, als hätte sie eine verdorbene Speise gegessen. Wenn sie tat, was Selim von ihr verlangte - wie sollte sie dann José je wieder ins Gesicht schauen können? Er würde sie hassen, sie verabscheuen, sie nie wieder ansehen oder berühren, wenn er davon erführe. Aber was sonst konnte sie tun? Es war die einzige Möglichkeit, ihm zu helfen. Was immer in den nächsten Minuten passieren würde, es spielte keine Rolle. Hauptsache, José blieb am Leben ... Ohne die Augen zu öffnen, nickte sie mit dem Kopf.
Der Prinz klatschte in die Hände.
Zwei schwarze Sklavinnen kamen herein, und bevor Reyna wusste, was mit ihr geschah, wurde sie in einen Nebenraum geführt. Während sich alles um sie her zu drehen schien, fingen die Frauen an, sie auszuziehen, erst ihr Tuch, dann ihren Überwurf, ihre Röcke und schließlich ihr Hemd. Als hätte sie keinen eigenen Willen mehr, ließ Reyna alles mit sich geschehen. Sie versuchte, an gar nichts zu denken - nichts zu denken und nichts zu empfinden.
Was jetzt geschah, geschah für José. Für ihn ganz allein. Als sie nackt war, legten die Sklavinnen sie auf einen mit Seide bespannten Diwan. Reyna spürte den kühlen, glatten Stoff auf ihrer Haut, doch gleichzeitig war es, als würde nicht sie hier liegen, sondern eine andere Frau. Leise flüsterten die Sklavinnen miteinander, in einer Sprache, die Reyna nicht verstand. Mit Schwämmen wuschen sie ihr Haar und ihre Haut und rieben ihren Körper mit duftenden Salben und Ölen ein: Ihre Hände und ihre Füße, ihre Arme und ihre Beine, ihre Hüften, ihre Schenkel und ihre Brüste - auch die geheimste Stelle ihres Körpers ließen sie nicht aus. Ein Schauer, der sie selbst entsetzte, fuhr Reyna den Rücken entlang, als ein Finger zwischen ihre Schenkel glitt. Die Sklavinnen blickten sich kurz an und kicherten.
Während Reyna vor Scham rot anlief, bedeuteten die zwei Frauen ihr mit Gesten, wieder aufzustehen. Der Eunuch kam herein, mit einem Stapel bunter Tücher auf dem Arm. Mit raschen, tausendmal geübten Griffen verknoteten die Sklavinnen die Tücher an Reynas Leib. Die hauchzarten Gazestoffe gaben von ihrem Körper mehr preis, als sie verbargen.
Als die Sklavinnen ihr goldene Reife über die Arme streiften und ihr ein
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