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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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länger der himmlischen Gerechtigkeit vorenthalten.«
    Der Papst wich seinem Blick aus. »Wir müssen Vorsicht walten lassen, mein Sohn. Der Krieg gegen Ferrara kann jederzeit wieder aufflammen. Fürst Ercole hat erst unlängst ...« »Verzeiht, Heiliger Vater«, fiel Cornelius Scheppering ihm ins Wort, »aber es geht um das Erbe Jesu Christi, des gekreuzigten Heilands, der für uns sein Blut vergossen hat! Nur wenn wir José Nasi hinrichten, können wir dem Judenspuk ein Ende machen! Jedes Schiff seiner verfluchten Sippe, das Europa verlässt, hat Hunderte Marranen an Bord, die sich mit ihrem Gold bei den Muselmanen Zuflucht vor ihrer verdienten Strafe erkaufen. Wenn wir der Teufelin Gracia Mendes nicht selbst habhaft werden können, müssen wir sie an ihren Gliedern treffen! Ihr Neffe ist ihr Arm, ihre rechte und ihre linke Hand. Ohne ihn ist ihre Macht dahin.« »Was schlägst du vor?«
    »Wir müssen das Urteil exekutieren! Auf der Stelle! Oder wir versündigen uns vor Gott! Und statt in Ancona nachzugeben, sollten wir all unsere Kräfte daransetzen, den Ausweichhafen der Marranen in Pesaro zu schwächen. Die Voraussetzungen dafür sind günstig. Herzog Guidobaidos Sohn ist ganz und gar nicht begeistert von der Judenliebe seines Vaters.« »Du sprichst mir aus dem Herzen«, sagte Carafa mit einem Seufzer.  »Aber wozu mein Herz mich drängt, das verweigert mir das Amt. Ich bin nicht mehr derselbe, der ich einmal war. Ich bin nun Paul IV., und mit meinem alten Namen habe ich zugleich mein altes Leben abgestreift. Anders als deinem Ordensmeister, den du aus früheren Zeiten kennst, anders auch als dem Kardinal, der ich vor kurzem noch war, sind deinem Papst die Hände gebunden.« »Wie kann das sein, Heiliger Vater? Jetzt, da Ihr unser aller Hirte seid, kann nur noch Gott Euch Befehle erteilen.« »Ich wünschte, es wäre so. Doch seit ich auf diesem Thron sitze, muss ich Rücksichten nehmen. In Ancona kommt es bereits zu Aufständen, das weißt du besser als wir. Christliche Kaufleute fordern uns zum Einlenken auf. Durch die Ächtung des Hafens, die von den Juden in Konstantinopel und Saloniki und weiß der Himmel wo noch beschlossen wurde, droht der gesamte Handel zu erliegen. Wenn wir José Nasi hinrichten, wird es Tumulte geben. Kein europäisches Handelsschiff wird dann den Hafen von Ancona mehr ansteuern. Die Menschen werden in Armut und Hunger versinken.«
    Cornelius Scheppering verschlug es die Sprache. Wo war der glaubensfeste Gottesknecht geblieben, der ihm stets so unerschrocken auf dem Weg des Heils vorausgegangen war? Ein halbes Menschenleben lang war Gian Pietro Carafa ihm eine Burg des Glaubens gewesen, ein Fels in der Brandung der Zeit, ein Leuchtturm, der ihm Kurs und Richtung gab. Und nun, da er von Gott ausersehen war, die Christenheit zu führen, da der Heilige Geist selbst durch ihn sprechen sollte, da redete er solch gotteslästerliches Zeug? Obwohl es eine Sünde der Superbia war, eine Sünde wider den Heiligen Geist, entschloss sich Cornelius Scheppering, dem Papst zu widersprechen.
    »Sollen wir darum vor dem Götzen Mammon niederknien?«, fragte er. »Nein, Heiliger Vater, das kann unmöglich Euer Wille sein! Wenn Gott uns Armut auferlegt, um unseren Glauben zu retten, wollen wir ihm fröhlich danken und ihn für seine Gnade preisen. Denn so spricht der Herr: Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme.«
    »Willst du uns das Evangelium beibringen?«, herrschte Carafa ihn an. »Was weißt denn du, Mönchlein, welchen Anfechtungen wir auf diesem unheiligen Stuhl ausgesetzt sind? Süleyman hat uns seinen Gesandten geschickt. Erst gestern hat er vor mir gestanden, hier in diesem Raum. Der Sultan verlangt die sofortige Freilassung aller türkischen Untertanen in Ancona, vor allem die Freilassung von José Nasi. Angeblich hat Süleyman durch unsere Maßnahmen vierhunderttausend Dukaten an Zolleinnahmen und Steuern verloren. Nur wenn wir nachgeben, will er die Christen in seinem Reich weiter ihren Glauben ausüben lassen. Wir brauchen einen Kompromiss!«
    »Einen Kompromiss?«, fragte Cornelius Scheppering. »Einen Kompromiss in Glaubensdingen?«
    Außer sich vor Empörung sprang er auf. Hatte der Prunk dieses Palastes Carafa verwirrt? Früher hatte er seinem Herrgott in einer Mönchszelle gedient, deren einzige Zierde ein hölzernes Kruzifix gewesen war; jetzt war er von Gold und Marmor umgeben, und an den Wänden hingen Karten von

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