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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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miteinander reden. Flüsternd tauschten sie die Gerüchte aus, die ihnen zu Ohren gekommen waren, Nachrichten aus der Stadt. Dreißig Marranen, die ihrem Glauben abgeschworen hatten und zu dreißig Jahren Galeerendienst verurteilt worden waren, hatten es angeblich geschafft, ihre Wächter zu überwinden und in ihren Bußgewändern an Land zu fliehen. Doch sie waren offenbar die Einzigen, die mit dem Leben davongekommen waren. Mehr als zwei Dutzend Conversos waren schon auf dem Campo della Mostra hingerichtet worden. Man hatte sie zuerst erdrosselt und dann verbrannt. Ein Verurteilter hatte sich in seiner Zelle erhängt, ein anderer war in die Flammen gesprungen, bevor man ihn erwürgen konnte, mit dem Schma Jisrael auf den Lippen. Fast alle Opfer waren Kaufleute. Es hieß, ihr Vermögen belaufe sich auf über dreihunderttausend Dukaten - Gelder, die sich nun ihre Mörder in die Taschen steckten. Plop, plop, plop ... Bei der Vorstellung packte José solcher Zorn, dass er sich mit der Faust gegen die Stirn schlug. Die Besitztümer der Firma Mendes in Ancona waren mindestens hunderttausend Dukaten wert. Musste er nun dafür sterben? Ohne dass er Reyna wiedersehen würde? Ohne dass er sie um Verzeihung bitten könnte? Plop, plop, plop ... An Flucht war nicht zu denken, das Verlies befand sich in einem Felsgewölbe, und das kleine Fenster, das ins Freie führte, war mit Gitterstäben gesichert, genauso wie seine Zellentür. Wenn er wenigstens Reyna eine Nachricht schicken könnte. Damit sie wüsste, wie sehr er sie liebte und dass ihr seine letzten Gedanken galten ... Plop, plop, plop ... Plötzlich wurden auf dem Zellengang Stimmen laut. »Was hat das Flattertier hier zu suchen?«
    »Ein Gnadengeschenk für unseren Freund. Ein Symbol des Heiligen Geistes. Vielleicht kommt der ja doch noch über ihn.« »Wollt Ihr Gott lästern? Euer sogenannter Freund gehört endlich hingerichtet! Damit er in der Hölle für seine Sünden büßen kann.«
    José erkannte die Stimmen sofort: Cornelius Scheppering und Aragon. Sprachen die zwei über ihn?
    »Wenn es nach mir persönlich ginge«, sagte Aragon, »würde der Mistkerl noch heute auf dem Scheiterhaufen brennen. Ihr wisst ja, was er mir angetan hat. Aber wir müssen vorsichtig sein. Die christlichen Kaufleute von Ancona laufen Sturm, auch ihre Geschäfte leiden unter unseren Maßnahmen. Außerdem brauchen wir das Einverständnis des Kaisers. Sonst riskieren wir schlimmste diplomatische Verwicklungen. Der Sultan wird nicht tatenlos zusehen, wenn wir seine beste Melkkuh schlachten.«
    »Der Mann ist überführt und verurteilt! Ich lasse nicht zu, dass er seiner Strafe entgeht! Und wenn ich deshalb nach Rom fahren muss! Der Heilige Vater wird dafür sorgen, dass endlich Schluss gemacht wird mit der elenden Kompromisswirtschaft!« Die Stimmen wurden immer leiser, bis sie kaum noch zu hören waren. Dann verstummte das Gespräch. José lauschte in den Gang hinaus. Waren die beiden fort? Schritte näherten sich, ein Schlüssel rasselte im Schloss. José wich von der Tür zurück. Im nächsten Moment ging die Tür auf, und Aragon betrat die Zelle. Als José ihn sah, traute er seinen Augen nicht. Der Spanier trug einen Vogelkäfig in der Hand. Darin hockte Joses Taube und schlug aufgeregt mit den Flügeln. Das Türchen war zugesperrt, davor hing ein goldenes, kunstvolles Schloss.
    »Ihr habt das arme Tier an Eurem Sattel vergessen«, sagte Aragon. »Wie kann man nur so hartherzig sein? Eine Sünde wider den Heiligen Geist. Oder«, fügte er mit falschem Lächeln hinzu, »vielleicht eine Sünde wider die Liebe? Wenn ich mich nicht erbarmt und das arme Tier aufgepäppelt hätte - es wäre elendiglich krepiert. Ich habe es vorsichtshalber eingeschlossen, damit es Euch nicht davonflattert.«
    José war so überrascht, dass er kaum einen Ton hervorbrachte. »Was ... was soll ich damit?«, fragte er wie ein Idiot. »Ich dachte, Ihr wollt vielleicht ein Briefchen an Eure Verlobte schreiben?«, erwiderte der Spanier. »Wenn Ihr Euch artig betragt, gebe ich Euch möglicherweise den Schlüssel, damit Ihr Euren Liebesboten auf die Reise schicken könnt.«
     

21
     
    Ein lauer Wind wehte durch das Fenster in den Audienzsaal des Tokapi-Serails, wo Reyna mit klopfendem Herzen darauf wartete, beim Sohn des Sultans vorgelassen zu werden. Endlich kehrte der schwarze Eunuch, der sie hierhergeleitet hatte, wieder zu ihr zurück. Ohne sie anzuschauen, legte er die Hände vor der Brust übereinander und

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