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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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nicht viel mehr für Euch tun, als Euer Leid abzukürzen. Eine seltsame Fügung der Dinge. Dank Dona Gracias Hartherzigkeit hat Bruder Cornelius wohl bald freie Hand, mit Euch nach seinem Willen zu verfahren. Der Gute ist im Moment zwar etwas angegriffen - in seiner Jugend scheint er ein ausschweifendes Leben geführt zu haben -, und vermutlich wünscht er sich nichts mehr, als von seinem Herrgott heimgeholt zu werden, doch die Aussicht, Euch hinzurichten, wird ihn sicher noch einmal beleben.«
    Aragon unterbrach sich. Er hatte den Brief entdeckt, den José auf dem Felswürfel abgelegt hatte. »Ah, Ihr habt meinen Rat befolgt und Euer Herz ausgeschüttet? Bravo!« Schneller, als José in seinen Ketten reagieren konnte, nahm er den Bogen Papier und begann zu lesen.
    »Siebenhundertvierundachtzig Sommersprossen?«, fragte er mit einem Grinsen. »Ich dachte, es wären nur siebenhundertdreiundzwanzig gewesen. So viel hatte ich nämlich damals gezählt.« »Gebt mir den Brief! Das geht Euch nichts an!« »Aber warum denn? Schämt Ihr Euch etwa Eurer Liebe? Auch wenn ich es nicht gerne sage - ich bin geradezu gerührt. So viel Poesie hätte ich Euch gar nicht zugetraut.« Statt zu antworten, rasselte José mit seinen Ketten. Doch sosehr er an den eisernen Fesseln zerrte, er rührte sich kaum vom Fleck. Nur eine Armlänge entfernt, grinste Aragon ihn an. Er dachte gar nicht daran, ihm den Brief zurückzugeben. »Es muss fürchterlich sein«, sagte er, »wenn man in seiner Bewegungsfreiheit dermaßen eingeschränkt ist. Dabei wäret Ihr mir zehnmal überlegen, so groß und stark wie Ihr seid. Selbst jetzt könntet Ihr mich überwältigen. Ich müsste nur einen Moment unachtsam sein, und ich wette, Ihr würdet mir ohne Zögern die Kette um den Hals legen und mich erdrosseln. Aber ich bin nicht unachtsam, ich passe auf und halte Abstand.« Ohne José aus den Augen zu lassen, faltete er den Brief zusammen. Dann holte er einen Schlüssel aus seiner Tasche und schloss damit den Taubenkäfig auf. »Ach ja, das Leben ist furchtbar ungerecht. Doch da ich Euer Freund bin, will ich für ein bisschen mehr Gerechtigkeit sorgen.« Er steckte den Brief in einen kleinen Köcher und befestigte diesen an der Taube. »Jetzt brauchen wir das kluge Tierchen nur noch fliegen zu lassen, und in ein paar Tagen bekommt Reyna Post von Euch.«
    »Was ... was soll das ?« Vor ohnmächtiger Wut konnte José kaum sprechen.
    »Ich möchte nur dafür sorgen, dass Ihr schönere Träume habt.« Sorgfältig verschloss Aragon den Käfig und prüfte mit einem kurzen, festen Ruck, ob das Schloss auch eingerastet war. »Du gottverdammtes Schwein ...«
    »Was sagt Ihr da?« Aragon fuhr herum und warf den Schlüssel durch das Gitterfenster hinaus ins Freie.
    Sprachlos blickte José dem Schlüssel hinterher. »Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?«, fragte Aragon, der sich an seinem Anblick weidete. »Jetzt wird Eure Verlobte wohl doch keine Post bekommen. Nur weil Ihr mich so erschreckt habt. -Ach, Dom Jose«, seufzte er dann und schüttelte den Kopf. »Ich verstehe Eure Sehnsucht nur zu gut. Reyna ist für die Liebe ja wirklich wie geschaffen. Mein Gott, mir laufen heute noch Schauer über den Rücken.«
    »Haltet Euer verfluchtes Maul!« José riss seinen Arm in die Höhe, doch die Kette hielt ihn zurück. »Ihr habt kein Recht, über meine Verlobte zu reden!«
    »Nein?«, fragte Aragon mit gespielter Verwunderung und machte noch einen kleinen Schritt auf ihn zu. »Da bin ich aber ausnahmsweise anderer Ansicht. Ich kenne Reyna so gut wie Ihr -wenn nicht vielleicht sogar besser. Heilige Dreifaltigkeit, wie verliebt das Kind in mich war. Wenn ich mich an ihre Küsse erinnere ... Ich werde heute noch ganz rot. Ich glaube, noch nie im Leben hat eine Frau mich so leidenschaftlich geküsst wie sie. Eine Zunge, flink wie eine Schlange.« »Ihr sollt das Maul halten - oder ...«
    »Oder was?«, erwiderte Aragon mit einem höhnischen Blick. Während José halb rasend vor Ohnmacht überlegte, wie er den verfluchten Spanier zum Schweigen bringen könnte, fuhr der seelenruhig in seiner Rede fort: »Habe ich Euch eigentlich schon gesagt, wo Eure Verlobte mich überall berührt hat?« Er fasste sich an den Hosenlatz und rieb sich das Gemächt. »Ja, Ihr versteht ganz recht - hier hat sie mich auch berührt. Ganz fest hat sie mit ihrer kleinen Hand zugedrückt, obwohl ihre Fingerchen kaum ausreichten. Aaah, es war wie im Paradies, ich hörte schon die Englein singen.« Während

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