Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
Vom Netzwerk:
Nachricht für Euch. Dona Brianda ...« »Was ist mit meiner Schwester?«, fragte Gracia erschrocken. »Ist sie etwa mit Euch gekommen?«
    Dom Felipe schüttelte den Kopf. »Dona Brianda ist tot.« »Nein!«, rief Reyna.
    »Doch«, sagte der Kapitän. »Sie ist an einem Fieber gestorben.« Reyna war wie betäubt. Ihre Mutter schien ebenso fassungslos wie sie.
    »Meine Schwester - tot?«, flüsterte sie.
    Sie krampfte ihre Hände in die Falten ihres Kleides und blickte den Kapitän mit leeren Augen an. Ihr Mund ging auf und zu, doch kein Wort kam über ihre Lippen. Eine ganze Weile stand sie wie versteinert da, den Blick in ein unbestimmtes Nichts verloren.
    »Diese Verbrecher!«, schrie sie plötzlich mit vor Wut funkelnden Augen. »Sie haben sie umgebracht! Sie haben sie auf dem Gewissen! Sie ganz allein!«
    Während ihre Mutter so plötzlich verstummte, wie sie vorher ihre Fassung verloren hatte, von einem Moment zum anderen, und in eine leblose Starre fiel, sah Reyna ihre Tante vor sich, damals bei der Abreise aus Venedig. Am Fenster ihres Bilderkabinetts hatte sie gestanden, als sie mit der Gondel an Briandas Palazzo vorübergeglitten waren. Wie oft hatte Reyna seitdem an sie gedacht. Sie selber hatte verhindert, dass ihre Tante mit nach Konstantinopel gekommen war, ihretwegen war ihre Tante in Venedig zurückgeblieben. Wäre sie ohne sie noch am Leben? »Brianda ...«, flüsterte sie.
    Während die Tränen aus ihren Augen rannen, versuchte sie zu begreifen, was nicht zu begreifen war.
    »Warum ? ... Wozu ... ?«
    Plötzlich fiel es Reyna wie Schuppen von den Augen, ganz von allein nahm der Gedanke in ihr Gestalt an. Sie hatte Dom Pedro nach Venedig geschickt, ohne dass sie von ihrer Tante eine Nachricht bekommen hatte. War das jetzt die Antwort, auf die sie so lange gewartet hatte?
    Mit einer Zuversicht, die ihr selbst ein Rätsel war, trat sie auf ihre Mutter zu.
    »Vielleicht ist das ein Zeichen«, sagte sie. »Was redest du da?«, fragte Gracia.
    »Ja«, sagte Reyna und griff nach ihrem Arm. »Begreifst du nicht? Brianda hat Dom Felipe zu dir geschickt. Sie will, dass du José hilfst! An ihrer Stelle! Damit du wiedergutmachen kannst, was du an ihr verbrochen hast!«
    Es war, als hätte sie eine Schlafwandlerin geweckt, so plötzlich wachte ihre Mutter aus ihrer Erstarrung auf. Ihr Körper straffte sich, ihr Gesicht war wieder wach und klar. »Ich soll José helfen?«, fragte sie und machte sich von Reyna frei. »An Briandas Stelle? Um mein Volk zu verraten? Nein, nein und nochmals nein!, erklärte sie. »Die Blockade bleibt! Das ist mein letztes Wort!«
     

27
     
    Woran war der Sultan erkrankt? Amatus Lusitanus hatte die vergangene Nacht sowie den ganzen letzten Tag an Süleymans Krankenbett verbracht. Nun, am Abend, da sich die Symptome deutlich besserten, war er nach Hause gekommen, um in den medizinischen Schriften seiner Bibliothek nach möglichen Ursachen zu forschen. Wahrscheinlich rührte der Durchfall des Herrschers von der Einnahme verdorbener Speisen her; die Darmentleerungen waren normal gefärbt und wiesen den spezifischen Kotgeruch auf. Amatus hatte weder den bei einer Ruhrerkrankung typischen Fäulnisgestank feststellen können, noch hatte er Blut im Stuhl des Sultans entdeckt, das auf ein inneres Leiden hätte schließen lassen. Nur der Schleim, mit dem die Ausscheidungen vermischt gewesen waren, bereitete ihm Sorgen. Er trat an sein Regal und holte ein großformatiges, in Leder gebundenes Buch heraus. Um sicherzugehen, dass Süleyman nicht an der Schwindsucht litt, an der in Konstantinopel jährlich Hunderte von Menschen starben, wollte er bei Galen nachschlagen. Mit beiden Armen wuchtete er den schweren Folianten auf sein Pult und begann zu lesen. Obwohl er sich redlich Mühe gab, sich auf den Text zu konzentrieren, fiel es ihm schwer, die Gedanken beisammenzuhalten. Immer wieder musste er an die Versammlung denken, die heute in der neuen Synagoge stattgefunden hatte - ohne ihn. Fast war er Süleyman dankbar, dass er ihn durch seine Erkrankung der Teilnahme enthoben hatte. Wie immer er sich bei der Abstimmung entschieden hätte, er hätte entweder gegen sein Herz entscheiden müssen oder gegen seinen Verstand.
    Dona Gracia war gewillt, die Fortsetzung der Blockade durchzusetzen, mit allen Mitteln - koste es, was es wolle. Aber wie viele andere Juden auch fürchtete Amatus Lusitanus, dass sich dadurch die Fronten nur weiter verhärten würden. Auge um Auge, Zahn um Zahn ... Der neue Papst

Weitere Kostenlose Bücher